Tanzwirbelwind Louise Lecavalier kehrt mit Slowmotion-Akt zurück

Tanzduett als Gesamtkunstwerk für drei Kunstsparten

Essen, 04/10/2008

Als die kanadische Tanztruppe „Lalala Human Steps“ mit dem weizenblonden, blutjungen Wirbelwind Louise Lecavalier 1988 im Rahmen des 3. Internationalen Tanzfestivals NRW auch in Dortmund gastierte, schrieb der damalige Künstlerische Leiter Jochen Schmidt, das sei „eine Gruppe, die dabei ist, alle Vorstellungen von neuem Tanz über den Haufen zu wirbeln“. Die akrobatischen Eskapaden, gefährlichen Hechtsprünge und anatomischen Verrenkungen gehören heute nachgerade zum Standard modernen Balletts und Tanztheaters, werden freilich in der Virtuosität und schonungslosen körperlichen Brutalität der Kanadier nur von ganz wenigen erreicht.

Jetzt kehrte Louise Lecavalier nach NRW zurück und wurde stürmisch gefeiert bei der Deutschen Erstaufführung von „Is you me?“ auf Pact Zollverein im Rahmen der RuhrTriennale. Statt Dynamik im Zeitraffer verblüffte die zierliche Frau aus Montréal zusammen mit dem schlanken Tänzer-Choreografen Benoît Lachambre, Gründer der Plattform „Par B.L.Eux“ zur Realisierung neuer kreativer Prozesse, durch Aktionen im Zeitlupentempo bis hin zur scheinbaren Erstarrung mitten in einer völlig bizarren Pose. Hatten „Lalala Human Steps“ auf überbordende Lebensfreude und Entertainment gesetzt, so fordert „Par B.L.Eux“ durch intellektuelle Kompositionen die Aufmerksamkeit von Künstlern und Zuschauern. Bei näherem Hinsehen ist dieses „Duett für zwei Ausnahmekünstler“ eine Kreation für vier Künstler aus drei Sparten.

Rechts und links der Spielfläche aus weißen Stoffbahnen sitzen der Musiker Hahn Rowe am elektronischen Mischpult mit verstärkten, verfremdeten Instrumenten und der Visuelle Artist Laurent Goldring am PC mit bunten Stiften. Immer wieder entspinnt sich während der anscheinend stark improvisierten einstündigen Performance ein Dialog nicht nur zwischen den Tanzenden, sondern auch eines Darstellers mit dem bildenden Künstler oder dem Musiker. Auf die deutlich wahrnehmbare Harmonie von eigener Identität und dem gleichzeitigen Zusammenklang mit dem anderen spielt der Stücktitel an: „Bist du ich?“ Mit Video-Szenen von rauschendem Meer und Bäumen gewinnt diese artifizielle Welt ein Stück Natürlichkeit und Erdung zurück. Die Zuschauer erlebten einen so tiefen Kunstgenuss wie etwa bei einem Kammermusikabend.

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