Henrietta Horn

Tänzerin, Choreografin, Lehrerin für zeitgenössischen Tanz

Essen, 14/12/2008

Meine erste Begegnung mit Henrietta Horn fand vor fünf Jahren statt, als sie für unsere Schule ihre Choreografie „und es geht“ neu einstudiert hat. Ich war dafür verantwortlich, die Proben zu begleiten. Es waren 24 Schülerinnen aus den Klassen 9 und 10. Bei der ersten Probe hat sie sich die Namen aufgeschrieben und was mich erstaunt hat, was ich nie vergessen werde: gleich am anderen Tag konnte sie alle Schülerinnen beim Namen ansprechen!

Seit Oktober 2008 hat Henrietta Horn einen Lehrauftrag für modernen Tanz an der Folkwang-Hochschule in Essen. Das Gymnasium Essen-Werden hat einen Kooperationsvertrag mit der Hochschule und so gibt Henrietta einmal in der Woche Unterricht in modernem Tanz für die Oberstufe. 

Ich war sehr neugierig: Ist eine Choreografin auch eine Lehrerin? Also war ich in ihrem Unterricht, und was mich endgültig überzeugt hat, war die Tatsache, dass die Schüler, die ich danach in klassischem Ballett unterrichten soll, nach dem Unterricht von Frau Horn nicht wie sonst ziemlich müde sind. Sie sind voll Energie, wach und aufnahmefähig. Es ist eine Freude, nach ihrem Unterricht zu arbeiten, was bei anderen Lehrern nicht immer der Fall ist. Das war für mich die Antwort auf meine oben gestellte Frage. Und deshalb habe ich Henrietta Horn meine sechs Fragen gestellt.

Henrietta Horn erhielt ihre Ausbildung von 1987 bis 1992 an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Von 1992 bis 1996 setzte sie ihre Studien an der Folkwang Hochschule in Essen fort und begann anschließend ihre Arbeit als freischaffende Choreografin und Tänzerin. 1999 übernahm sie gemeinsam mit Pina Bausch die künstlerische Leitung des Folkwang-Tanzstudios. Hier entwickelte sie gemeinsam mit und für das Ensemble Choreografien, die im In- und Ausland aufgeführt werden. Neben ihrer Arbeit als Leiterin des Folkwang-Tanzstudios kreierte sie außerdem eigene Solostücke. Sie gibt Workshops u.a. in Indonesien, Kamerun und Japan und erarbeitet dort mit den Tänzern kleinere Kompositionen und Choreografien. Projekte mit Musikern und Komponisten sind ein ebenso wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Henrietta Horn beendete ihre Arbeit als künstlerische Leiterin des Folkwang Tanzstudios im September 2008 und ist als freischaffende Choreografin, Tänzerin und Tanzpädagogin tätig. Im August 2008 erhält sie den Künstlerinnenpreis 2008 im Bereich Choreografie/Zeitgenössischer Tanz des Landes NRW.

Ihr Unterricht ist sehr genau. Die ersten 20 Minuten sind dem Atmen gewidmet. Auf dem Rücken liegend und mit geschlossenen Augen atmen die Studenten zu ihrem Zentrum, um die Tiefenmuskulatur zu spüren. Die Wurzel dieser Übungen ist bei der Pilates-Technik zu finden. Aber Henrietta hat Bewegungen dazu komponiert, die mit dem Ausatmen ausgeführt werden. Danach kommen Übungen für den Rücken, für die Füße sowohl parallel wie ausgedreht; sie betont dabei immer wieder die „opposition“. Die zweite halbe Stunde macht sie „walks“, also Gehen, wobei die Gewichtübertragung in den Raum und die verschiedenen Ebenen eine große Wichtigkeit bekommen. Zum Schluss kommen Bewegungsabläufe, die gelernt werden.


Sechs Fragen an die „Lehrer, die uns bewegen“

1. Wie und wann sind Sie zum Unterrichten gekommen?

In 1998 in Kiew. Ich war dort zu einem Gastspiel eingeladen und sollte parallel dazu einen Workshop für die Tänzer geben. Das wurde danach in vielen Gastspielländern wiederholt.

2. Welche Meister haben Sie nicht vergessen? Und warum?

Graziella Padilla war meine Lehrerin für Elementaren Tanz an der Sporthochschule in Köln. Ihr Unterricht war eine gute Basis für Choreografie, es war Komposition und Tanztechnik auf der Basis von funktionaler Gymnastik. Wir waren gefordert, selbst etwas zu entwickeln.
Dominique Mercy für die Klarheit, mit welcher er mir genau erklären konnte, wie ich die Bewegung mit meinem Körper am besten umsetzen soll. Dazu kommt, dass ich visuell am besten lerne, und er perfekt vormacht.

3. Sind Sie der Meinung, dass man das Lehren lernen kann? Wenn ja, wie sollte Ihrer Meinung nach so einen Lehrgang aussehen?

Das glaube ich schon. Zu Lehren ist ja sehr komplex, neben dem fachlichen Wissen braucht man auch ein gutes Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit das Wissen zu vermitteln. Lehren bedeutet ständig neu lernen, hinterfragen und erfahren.

4. Muss für Sie ein Lehrer professionell getanzt haben?

Das ist individuell sehr verschieden, es kann hilfreich sein, aber ob es wirklich nötig ist, weiß ich nicht.

5. Was ist für Sie das Wichtigste zum erfolgreichen Unterricht?

Wenn man die Studenten da abholt, wo sie stehen.

6. Welche Korrekturen sollen Ihre Schüler nicht vergessen?

Wichtig ist für mich, dass sie selbst finden, in sich spüren, nicht nur nachmachen. Dass sie mit meiner Hilfe die Bewegung entdecken und erfahren!
 

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