Spanische Ballade mit Faschisten und Terroristen im Kino

Youri Vàmos' letztes Ballett für die Rheinoper

Düsseldorf, 04/03/2008

In seiner „Spanischen Ballade“ plauderte König Alfonso X. von Kastilien die siebenjährige „Affaire“ seines machtmüden Ur-Großvaters mit „la Fermosa“, der schönen Jüdin Rahel, hinter verschlossenen Palasttüren am Hof von Toledo aus. Halb Europa stürzte sich auf die prekäre Mär von der verbotenen Liebe in dem maurischen Reich, wo Muslime, Juden und Christen vor der „Reconquista“ einträchtig Seite an Seite ihre Sitten und Religionen gelebt hatten. Der Spanier Lope de Vega widmete der schlüpfrigen mittelalterlichen Episode eine Komödie und der Österreicher Franz Grillparzer eine Tragödie. Der Deutsche Lion Feuchtwanger schrieb einen ganzen Roman über die jüdische Gespielin und den Kreuzzug-müden Christen.

Youri Vàmos, der Ungar am Rhein, inszeniert sein letztes Ballett für die Rheinoper Düsseldorf/Duisburg nach Feuchtwangers Roman. Hätte er sich lieber mit der Ballade, die Feuchtwanger als Quelle im Prolog zitiert, als Stichwortgeber für sein Libretto begnügt. Denn in dem Wälzer des jüdisch-deutschen Dichters von 1955 spielt alles Mögliche eine Rolle – und Vàmos packt alle möglichen Konflikte von den Franco-Faschisten bis zu heutigen arabischen Terroristen dazu. Rahel (Louisa Rachedi) ist bei Feuchtwanger und Vàmos kaum mehr denn ein benutztes Accessoire des Königs (lustlos im Franco-Look: Filip Veverka). Da haben Intriganten wie der Graf de Lara (Luzifer-fies: Armen Hakobyan) und die eifersüchtig rasende Königin Eleonore (die sehr schöne Daniela Svoboda) leichtes Spiel, sie mit dem Hackebeilchen aus dem Weg zu schaffen.

Ein Trauerspiel ist dieses basar-ähnliche Historienspektakel auf drei Bühnenebenen im sakralen Mischmaschambiente von maurischer Moschee, Synagoge, Kirche, Kino, Theater und königlichem Boudoir (Ausstattung: Altmeister Pet Halmen). Dazu lärmt die Auftragsmusik von Alt-Rocker Irmin Schmidt („Can“-Gründer), der noch nie für tanzende Menschen Musik gemacht hat. Mit ordentlich marschtauglichen motorischen Rhythmen, schrillen Streicherpassagen, tosendem Blech, Marimba und Pauken bringt er die Düsseldorfer Symphoniker unter der cool souveränen Stabführung des Musical-gestählten Koen Schoots ins Schwitzen. Edel wird’s nur, wenn er mal ein paar Anleihen bei Richard Strauss (Salomes Schleiertanz) oder Strawinsky (Sacre, Geschichte vom Soldaten) nimmt.

In all dem Getöse, Kinositzreihen-Geschiebe und Aerobic-Gehampel von Christen-, Juden- und Arabergruppen gehen zwei ganz wunderbare Details dieses Balletts fast verloren: die Liebesgeschichte zwischen dem Christen Arno (der schlaksige Valerio Mangianti) und der Muslima Ramaza, die Kaori Morito herzzerreißend und voller Anmut tanzt – wohlwissend, dass Bruder Ahmed (Cesar Locsin) sie zur Rettung der Familienehre töten wird (und er legt zu ihrem „Gedenken“ auch noch eine Bombe unter ihren Kinositz). Dazu klingen traumhaft schöne, spätromantisch lyrische Ausschnitte aus drei Pfitzner-Cellokonzerten (exquisiter Solist: Doo-Min Kim). Im Detail also zeigt sich noch einmal Youri Vàmos, der grandiose Frauen-Choreograf und Ballettmusik-Entdecker.

Nächste Vorstellungen: im Opernhaus Düsseldorf am 08.,11. und 13.03.08, im Theater Duisburg ab 10.4.08, www.rheinoper.de.

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