Reste des Privaten

„Private Spaces“: Choreografin Silke Z. sucht die Grenzen des Öffentlichen

Bonn, 07/11/2008

Täglich wird man im Fernsehen mit Talk-Shows überschüttet, in denen mit narzisstischer Lust noch die intimsten Dinge vor Millionenpublikum entblößt werden. Das Private bleibt dabei auf der Strecke. Die Kölner Choreografin Silke Z. sucht in ihrem neuen Stück „Private Spaces“ in einer choreografischen Versuchsanordnung nach den Resten des Privaten. Das erfährt man als Zuschauer gleich am eigenen Körper, denn Sitzplätze – der private Raum des Zuschauers im Theater – gibt es nicht. So bewegt man sich durch die Tanzperformance, steht plötzlich mitten im (filmischen) Privatleben anderer und wird unversehens Teil der Inszenierung. Das behagt nicht jedem, denn es fehlt der eigene Raum. Wenn es dann noch zu Berührungen kommt, ist für die meisten die Grenze erreicht. Nicht so für eine Zuschauerin, die sich scheinbar bewusst in den Grenzbereich dieses Kontroll-Verlustes begibt. Aus dem harmlosen Kontakt mit dem Tänzer Antonio Cabrita entwickelt sich schnell ein packender Kampf um Nähe und Distanz.

Längst weiß man, dass hier die Tänzerin Caroline Simon mit agiert. Es ist der spannendste Teil der Inszenierung, dieses tolle Tänzerpaar in einer langen Sequenz der Kontakt-Improvisation zu erleben: wie beide blitzschnell auf die kleinste Bewegung des anderen reagieren, wie nachgesetzt oder Platz erkämpft wird. Eine Serie von Erfolgen und Niederlagen für beide. In einem kraftvoll-dynamischen Solo mit erstaunlichen Körperdrehungen, Sprüngen und Überschlägen begrenzt Cabrita schließlich seinen privaten Raum, der mit einem Körperumriss am Boden markiert wird. Am Ende legt sich Caroline Simon völlig entblößt in diesen Umriss.

Über eine raffinierte Videoprojektion (Regie: André Zimmermann) mit Adergeflecht und pochendem Herz wird sie weiter entblößt bis auf die Knochen. Das führt zwar zu faszinierenden Körperbildern, aber wirft am Ende der Performance wieder neue Fragen auf. Die Inszenierung lässt offen, ob diese Entblößung auch noch des letzten Winkels des Körpers für die selbstlose Hingabe an den anderen oder für die totale Selbstaufgabe der Frau steht. Dass Silke Z. das offen lässt und ihr Publikum so entlässt, ist gerade die Qualität ihrer Inszenierungen, die sich vorwiegend mit Themen zwischenmenschlicher Beziehungen beschäftigen. Vielleicht steht diese letzte Szene aber auch als Metapher für unser aller Sehnsucht nach Harmonie (bis zur Selbstaufgabe).


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