Vom Coach zum Kurator

Vom 3. bis 16. Januar präsentiert Peter Pleyer „seine” ersten Berliner Tanztage – ein Porträt

Berlin, 03/01/2008

„Ich hatte die beste zeitgenössische Tanzausbildung, die man sich vorstellen kann”, sagt Peter Pleyer über seine vier Jahre am Arnheimer Center for New Dance Development. Vorausgegangen war allerdings zunächst einmal ein Umweg: Kurz nach seinem Zivildienst wurde er, obwohl blutjung und ohne nennenswerte Ausbildung, ins Schauspielensemble des Landestheaters in Castrop-Rauxel aufgenommen. „Das war super, um mitzukriegen, dass die im Schauspiel von Körperlichkeit nicht so ‘ne große Ahnung hatten”, meint er heute augenzwinkernd.

Nach zwei Jahren hatte er genug von der Stagnation des Stadttheaterapparats und wollte „etwas Neues machen”. Zufällig sah er Ende der 80er bei einem der ersten Gießener „Diskurs-Festivals” eine Performance der SNDO (School for New Dance Development in Amsterdam) und war sofort Feuer und Flamme. Er bewarb sich - und wurde genommen. Noch während seiner Studienzeit performte er mit Yoshiko Chuma in New York, direkt danach mit Mark Tompkins in Paris. Beide hatte er während des Studiums als Dozenten kennengelernt. „Das war ein sehr natürlicher Übergang von einer Ausbildungssituation in eine Arbeitssituation. Es ist essenziell, mit guten Leuten noch mal außerschulisch zu arbeiten, bevor man anfängt, selbst zu choreografieren”, sagt er und weiß genau, dass die meisten jungen Tänzer heute weniger Glück haben.

Nach drei Jahren freier Produktion in Arnheim wäre er im Winter 2000 eigentlich gerne nach Brüssel gezogen, um seine Arbeit bekannter zu machen. Doch sein Freund, ein Modedesigner, wollte unbedingt nach Berlin. Pleyer war zunächst spektisch, willigte aber in den Umzug ein, als er hörte, dass die amerikanischen Choreografen Stephanie Maher und Jess Curtis gerade ebenfalls in die deutsche Hauptstadt gezogen waren. Während der ersten Jahre hielt er sich künstlerisch zurück – weniger aus Bescheidenheit, sondern weil ihm klar war, dass er angesichts der Riesenmenge Mitbewerber nur geringe Aussichten auf Förderung hatte. Stattdessen sondierte er die Szene, die weitaus zersplitterter war, als er das aus anderen Städten kannte. Dabei entdeckte er, dass die meisten Choreografen kein wirklich produktionsorientiertes Training für ihre Tänzer anboten – und genau das hatte er in Arnheim gelernt!

Also fing er an, sein Know-How als Coach einzusetzen, vermittelte zwischen Choreografen und Interpreten, gab dramaturgische Hilfestellungen und sicherte sich so nicht nur seine Existenz, sondern auch seinen Platz in der Berliner Tanzlandschaft: „Das war meine Strategie, um hier zu überleben und mich künstlerisch zu artikulieren.” Nebenbei half er Stephanie Maher, das Festival „Tanzland Ponderosa“ aufzubauen, performte mit der Ungarin Eszter Gal und fand auf Umwegen wieder zur künstlerischen Arbeit zurück: Als Moderator bei einem zweiwöchigen Arbeitstreffen deutscher und polnischer Choreografen erfand er mit den Teilnehmern die fiktive Künstlerin „Veronika Blumstein”, die seither als quicklebendiges Minifestival durch die deutsche Tanzlandschaft geistert.

Aus seiner Arbeit als Coach ergab sich das Solo „Choreographing Books”, mit dem der belesene Performer in verschiedenen Formaten auf tanzhistorische Fragestellungen antwortet. Im vergangenen Jahr stand er der holländischen Tanztage-Kuratorin Inge Koks als Scout durch die Berliner Tanzlandschaft zu Seite. Daher überraschte es nur wenig, als sich das Team auf der Suche nach einem Nachfolger nun an ihn wandte.

Als Kurator ist Peter Pleyer nicht auf einen bestimmten Stil festgelegt: „Eine gute choreografische Arbeit hat nicht unbedingt mit einer bestimmten Ausrichtung in der Ästhetik zu tun.” Daher werden auf den Tanztagen 2008 MTV-inspirierte Streetdances genauso zu sehen sein wie klassische Kompositionen oder konzeptuelle Bewegungsforschung. Erstmals sollen in diesem Jahr die beteiligten Künstler an einem runden Tisch über ihre Arbeitsweisen und Produktionsstrategien diskutieren. Denn wie Pleyer selbst in Arnheim gelernt hat: „Am meisten hilft es einem, sich im Austausch mit den anderen zu artikulieren.”

(Der Text erschien ursprünglich in der Ausgabe 01/02/08 des Magazins TanzRaumBerlin.) Link: www.sophiensaele.com

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