Nicht ohne meine Mama

„Tschaikowskys Träume“ von Robert North in Mönchengladbach

Mönchengladbach, 02/03/2008

Der Tschaikowsky-Darsteller (Aliaksandr Rulkevich) erklimmt die Bühne aus dem Orchestergraben; schließlich ist es die Musik, die Tschaikowskys Leben und auch die choreografische Interpretation seines Lebens durch Robert North im Theater von Mönchengladbach bestimmt. Schon bald wird er sich, in die Kindheit zurückversetzt, die Ohren zuhalten und in die Arme der Mutter flüchten, die ihm das von einem großen schwarz gekleideten Tänzer verkörperte „Schicksal“ (Ziga Jereb) schon bald entführt: mindestens in dieser getanzten Biographie das prägende Ereignis im Leben des Peter Iljitsch Tschaikowsky. Ohne seine Mama ist dieser Tschaikowsky hilflos.

Wovon North’ in drei Altersstufen zerlegter Held träumt, erfährt der Zuschauer nicht, allenfalls, wovor ihm graust. Im Grunde erfährt er das Wichtigste über Tschaikowsky aus der (von Graham Jackson dirigierten) Musik, mit der North seinen schmalen Zweiteiler unterfüttert: Opernhaftes und Konzertantes, darunter der komplette erste Satz des ersten Klavierkonzerts für den ersten Akt, der dann auch recht bieder-pompös gerät, Ausschnitte aus dem „Schwanensee“, mit denen die Choreografie vorübergehend an Schwung gewinnt, sowie das Adagio lamentoso aus der todesnahen 6. Sinfonie für die zweite Hälfte.

Tschaikowskys Homosexualität, hat North in einem vom Programmheft abgedruckten Gespräch verlauten lassen, zeige er – da sie für unser heutiges Verhältnis zum Komponisten keine Rolle spiele - „eher indirekt“: zum einen „in seinen Beziehungen zu Frauen, vor allem zu seiner Ehefrau“ (Silvia Behnke), zum anderen „mit der Figur des Schicksals“, von der sich Tschaikowsky angezogen fühle und der er in vielen Pas de deux folge. Gleichwohl ist North seine „autobiografische Retrospektive“, nicht nur durch die Einführung des dunklen Schicksalsboten, den er als Briefträger, Möbelpacker und Frauentransporter benutzt, zu einem fast reinen Männerstück geraten, in dem die Frauen gerade nur als farbige Applikationen vorkommen.

Es ist ein schwaches Stück, partienweise, vor allem vor der Pause, kaum mehr als das Totschlagen von der Musik vorgegebener Zeit. North’ Glaube, man könne eine komplizierte Existenz wie die des Komponisten Tschaikowsky tänzerisch in 70 Minuten spiegeln, versenkt das Stück - für das Luisa Spinarelli auf allzu viele aus dem Bühnenhimmel herab fahrende Prospekte verschwommene Bilder gemalt hat wie von einem Nolde, dem man die Farben klaute – in einem ästhetischen Niemandsland, dessen Pole pathetischer Schwulst und holder Kitsch heißen.

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