In Krefeld-Mönchengladbach beginnt mit Robert North eine neue Ballett-Ära

Das Leben vergeht wie im Flug

Krefeld, 22/10/2007

„Das Notwendigste und Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo“, wird Mozart im Programmheft für den neuen Ballettabend zitiert. Nicht von ungefähr, gilt doch Ähnliches zweifellos auch für den Tanz. Denn das Zeitmaß – ob synchron zur Musik, ob Bewegungsabläufe in Zeitlupe oder mit Zeitraffer - gibt Auskunft über die Befindlichkeit der Akteure und die Ästhetik des Choreografen; handwerkliches Know-how nicht zu vergessen. Denn was zum Beispiel ein Vivaldi für Geige oder Flöte komponierte, ein Rossini mit seinen Schnellsprech-Arien oder Donizetti an halsbrecherisch schnellen Koloraturen erdachten, kann kein Tänzer auf Spitze bieten. Dass gerade aber Vivaldi wie wenige andere zu fröhlichem Tanz inspiriert, wenn ein Choreograf die richtige Wahl aus dem Musikwerk trifft, beweist Robert North im Auftakt seines Balletts „Tempus fugit“ - einem Dreiteiler aus früher entstandenen Choreografien für Kompanien in Lyon, London und Birmingham.

Das temperamentvolle Ensemblestück „Tempo“ auf ein Arrangement von Vivaldi-Musik ist spritzig und prickelnd wie ein Glas Champagner. Unbekümmert wie spielende Kinder wirbeln fünf Mädchen und fünf Jungen in unterschiedlichen Formationen über die helle Bühne des Engländers Andrew Storer. Der Franzose Philippe Combeau hat ihnen uni-farbene Cocktailkleider und poppige Ganzkörper-Trikots auf den Leib geschneidert. Neoklassik voller Schwung und Eleganz mit einer Reminiszenz an Norths populärste Choreografie, „Troy Game“. Wie hart das Leben Menschen aber auch schon in jungen Jahren packen kann, zeigt das Herzstück des dreiteiligen Programms.

Norths Version auf Schuberts vielfach choreografiertes Quartett Nr. 14 mit dem Untertitel „Der Tod und das Mädchen“ beschränkt sich auf die beiden ersten Sätze. Dem Allegro gibt er den Titel „Vorahnungen“. Mitten in der Gruppe hellblau und taupe gekleideter junger Menschen tanzt, ganz in schwarz, der elegante Todesengel (Gian Luca Multari). Als das zierliche Mädchen (Elisa Rossignoli) in schwarz die Bühne betritt, ist die Konstellation offenkundig. Die folgenden „Gespräche“ zum Variationssatz des Quartetts sind ein Ringen auf Leben und Tod. Der Todesengel lässt nie einen Zweifel daran, dass er der Stärkere ist und nicht nachgeben wird. Als milder Freund kommt er keineswegs herüber, wirkt vielmehr bedrohend, grausam, mitunter sogar brutal. Die Freundin (Karine Andrei-Sutter) begleitet die Sterbende tröstend. Autobiografische Züge trägt die rasante Nuevo-Flamenco-Revue „Zwischen zwei Wassern“ mit Musik von Simon Rogers und Paco de Lucia. Dass der Choreograf, der in Spanien und Südamerika aufwuchs, sich selbst in der Rolle des Mannes sieht, liegt auf der Hand. Feurig, charismatisch und stolz tanzt Aliaksandr Rulkevich den „Schwarzen Mann“. Silvia Behnke als „Frau in Rot“ mit unnahbarer Aura ist ihm technisch durchaus ebenbürtig. Fünf Paare ergänzen die Solisten im stimmungsvoll düsteren Ambiente.

Zum Finale treten alle plötzlich in den Kostümen aus der Vivaldi-Choreografie an. So schließt sich der Kreis. Begeistert begrüßte das Premierenpublikum den neuen Chefchoreografen der Vereinigten Bühnen Krefeld und Mönchengladbach mit seiner 16-köpfigen Truppe (darunter viele vertraute Gesichter). Robert North bringt eine neue Dimension auf die Ballettbühne. Seine Vorgängerinnen Irene Schneider und die im März plötzlich verstorbene Heidrun Schwaarz haben vorzügliche Vorarbeit geleistet. Auf dieser Basis baut der international renommierte und erfahrene Robert North souverän und hochkarätig auf. Mit der niederrheinischen Truppe gewinnt das Ballett in NRW eine neue Größe.


Nächste Vorstellungen im Theater Krefeld: 25. und 27. Okt. 2007
Karten: 02151-805125.

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