Licht und Schatten

„aesthetic fighters“ - Tigran Mikayelyan and the Power of Armenian Dancers

Schwerin, 20/07/2008

Ansehnliche Fotos, technisch perfekt, meist ganzseitig erfreuen das Auge von Kennern und Liebhabern des Tanzes in dem sorgfältig gestalteten, großformatigen Buch „aesthetic fighters“. Im Mittelpunkt stehen der armenische Tänzer Tigran Mikayelyan, Solist beim Bayrischen Staatsballett, und das Vorhaben, mit seinen Mitstreiter/Innen im Juli 2007 zwei Gala-Vorstellungen am Opernhaus von Eriwan, der Hauptstadt von Armenien, zu präsentieren: „Wir haben so viel von unserem Land mitbekommen und wollen jetzt einen Teil davon zurückgeben.“ Neben drei armenischen Kollegen Arsen Mehrabyan, Vahe Martirosyan und Arman Grigoryan, in Zürich und Hamburg engagiert, treten drei Tänzerinnen vom Hamburger Ballett auf (Patricia Tichy, Yuka Oishi, Stephanie Minler) sowie die Brüder Otto und Jiri Bubenicek (Hamburg/Dresden). Es fehlt bei der Gala Davit Karapetyan, der vom San Francisco Ballet wegen dessen 75-Jahr-Feier keine Freigabe bekam.

Zusammen haben die fünf Tänzer die Kompanie „forceful feelings“ gebildet. Die Fotos zeigen ein breites Spektrum der Auftritte Mikayelyans in München (u.a. in Schwanensee, Romeo und Julia, Le Corsaire, Das Lied von der Erde). Schöner muskulöser Oberkörper, gut proportionierte Gestalt, hoher ballon, sauber platzierte Posen – Mikayelyan besitzt offensichtlich eine mehr als solide Technik. Auffallend ist allerdings auch sein Einheitsgesichtsausdruck; der Kopf ist oft leicht in den Nacken gelegt, die Augenlider sind halb geschlossen, der Blick geht nach unten, nach innen. Eindrucksvoll ist ab Seite 100 (ff.) die Vorstellung der Beteiligten – bis auf Yuka Oishi und Stephanie Minler - mit jeweils zwei ganzseitigen Solo- und Duo-Fotos aus einer Choreografie. Die Probenbilder mit Aufführungsfotos zu koppeln, finde ich eine gute, selten angewandte Idee, ebenso wie Schwarzweiß-Fotos einzustreuen (z.B. S. 142-43).

Einige der Aufnahmen von Mikayelyan als Privatmann sind entbehrlich, etwa vor irgendeinem Denkmal (S.55) oder rauchend mit dem Handy oder vor dem schräg gestellten Design der Bayerischen Staatsoper. Für meinen Geschmack übertreibt es die Koautorin mit der Gestaltung, wenn sich beispielsweise schmale Ausschnitt-Bildwiederholungen als Leiste am oberen Rand über mehrere Seiten hinziehen und wie störende Füllsel wirken. Dass den Tänzer/Innen (Schwanensee) gleich auf Seite1 die Beine in Kniehöhe abgeschnitten werden, vermutlich wegen eines ausgeglichenen Designs, gefällt mir persönlich überhaupt nicht. Der Text von Ute Fischbach-Kirchgraber vermischt Privates mit Reportageelementen und vorbehaltlos bewundernder Beschreibung der Fähigkeiten Mikayelyans, seiner Entwicklung mit tänzerisch „vorbelastetem“ familiärem Hintergrund in Armenien, Moskau und Zürich, dann München.

Auch Szenen aus dem Alltag in Eriwan greift sie auf. Sie fügt einen Artikel dazu, über „Richtige Männer braucht das Ballett“, Männer, die es wagen, Gefühle zu zeigen. Allgemeinplätze wie „Klassisch tanzen ist schwer, aber das ist das Leben auch“ stören kaum. Eine sehr eingehende Schilderung der schweißtreibenden Proben mündet in die Vorstellung des umfangreichen Gala-Programms, dessen einzelne Teile erläutert werden.

Mehr hätte ich gerne über das kulturelle Leben, die Tanz-/Ballettszene in Armenien, in Eriwan erfahren. Auch hätte ich mir gewünscht, mehr Informationen über den Hayastan All-Armenien Fund zu erfahre, für den jeweils ein Euro pro verkauftem Buch gespendet werden soll: Wer steckt dahinter? Wer kontrolliert ihn? Ist er in Deutschland vom DZI (Deutsches Zentralinstitut für Soziale Fragen) anerkannt? Weil „Aesthetic fighters“ mit teils herausragenden Tanzfotos glänzt, einen ersten Blick gewährt in armenische Seelen und die lobenswerte Initiative armenischer Tänzer –„forceful feelings“ - heraushebt, die im Westen Karriere gemacht haben, ist es trotz der Einwände anschauenswert. Geadelt wird das Buch durch ein Vorwort von Ivan Liska, Chef des Bayerischen Staatsballetts.

„aesthetic fighters“ - Tigran Mikayelyan and the Power of Armenian Dancers Von Thomas Kirchgraber und Ute Fischbach-Kirchgraber. Deutsch/Englisch Kirchbach Verlag. deutsch-englisch, 168 Seiten, 96 ganzseitige Abb weitere 35 Fotos. 35 Euro
 

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