Die Träume mutiger Männer

Forceful Feelings präsentiert eine Konzept-Ballettgala im Gasteig

Münchnen, 06/07/2010

In der Musik sind Alben, denen ein Konzept zugrunde liegt, sehr erfolgreich. Einzelne Stücke durch ein Rahmenthema zu einer Geschichte zu verknüpfen ist ja auch klüger, denn die Angelegenheit prägt sich dem Gedächtnis besser ein. Warum also sollte nicht auch eine Ballettgala nach Konzept funktionieren? Die fünf armenischen Tänzer der Kompanie Forceful Feelings gaben nun im Münchner Carl-Orff-Saal eine Kostprobe, deren Besuch man nicht bereuen musste: Tigran Mikayelyan und seine Mittänzer zeigten Neues, Erstklassiges und Impressionen aus Armenien.

Fünf Freunde von der Ballettschule Eriwan tanzen sich nach oben, ziehen in die Welt und blicken doch immer auf Armenien – so lautete der erzählerische Rahmen für den Abend. Er bot vor allem Gelegenheit für den Züricher Arsen Mehrabyan, dem Publikum eigene Choreografien vorzustellen. So gab er etwa im ersten Teil des Abends mehrere Zwischenspiele mit seinem Kompaniekollegen Artur Babajanyan, in denen zwei Tanzschüler vom großen Ballettruhm träumen. Die Szenen blieben konventionell, da sie nun mal klassischen Stücke einzurahmen hatten: Die Grands Pas de deux aus „Nussknacker“, „Schwanensee“ und „Don Quixote“, deren Akteure wie lebendig gewordene Traumgestalten auf die Bühne schlenderten. Nicht alle Pas de deux wurden mit derselben Qualität vorgeführt. Vor allem bei den Gast-Ballerinen zeigten sich Unterschiede. Galina Mihaylova als Klara tanzte so langsam, dass man meinte, das Universum würde gleich aufhören, sich auszudehnen. Viktorina Kapitonova hingegen präsentierte eine Odile, die einer Scala oder einem Palais Garnier würdig gewesen wäre. Sie und ihr Siegfried, Vahe Martirosyan, nutzten die ungewohnte Bühne optimal aus, dosierten Schwung und Strahlkraft genau so, dass sie bis in die letzte Reihe drangen, aber nicht die eigene Körperspannung störten. Dies geschah Daria Sukhorukova, die sich an diesem Abend neben Mikayelyan als Kitri eindeutig nicht zuhause fühlte. Ihr Basilio sprang ihr selbstsicher voran und machte nicht schlecht Appetit auf die anstehende „Don Quixote“-Wiederaufnahme des Bayerischen Staatsballetts.

Später, einige Videosequenzen zu Armenien weiter, im modernen Teil der Gala, schimmerte immer noch ein großes Verhaftetsein mit der Klassik durch Mehrabyans Choreografien. Seine „Memories of Archile Gorky“, eine Reminiszenz an einen armenischen Maler, blieben in unaufgeregten Duetten stecken. Ganz anders hingegen „The weight of an empty room“ für Tigran Mikayelyan: Ist die Form kürzer und diktiert die Musik nicht so viel, sieht alles gleich viel freier und mutiger aus bei Mehrabyan! Was Heinz Spoerlis Stücke nicht daran hinderte, alles zu überstrahlen. Nur seine „Goldberg Variation Nr. 15“ (Vahe Martirosyan und Sarah Jane Brodbeck) sowie der Pas de trois „Ich habe genug“ (Vahe Martirosyan, Arman Grigorian und Viktorina Kapitonova) brachten erneut die Weltqualität ins Haus, die im klassischen Teil zuvor Kapitonova und Mikayelyan repräsentiert hatten.

Insgesamt steht Forceful Feelings doch für ein sehr männlich geprägtes Programm. Darum siegte wohl letztlich auch der Mut: Nach dramatischen Videobildern zum Völkermord in Armenien trafen sich die fünf „Aesthetic fighters“, wie ein Buch die befreundeten armenischen Tänzer nennt, zu Orffs „O Fortuna“. Ihr Tanz, eine einzige Kampfansage vor blutrotem Hintergrund, kann nur bedeuten: Wir werden noch mehr von Forceful Feelings sehen.
 

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