Good-bye 2008… Bienvenue 2009

Die Uwe Scholz-Silvestergala des Stuttgarter Balletts

oe
Stuttgart, 31/12/2008

Und wie hätten wir seinen Geburtstag gefeiert, wenn er ihn noch erlebt hätte und an diesem Tag fünfzig Jahre alt geworden wäre? Kann man sich eigentlich kaum vorstellen, Uwe – fünfzig Jahre alt? Denn auch vier Jahre nach seinem allzu frühen Tod lebt er in unserer Erinnerung fort als der strahlende Lichtjunge des deutschen Balletts – eben ganz im Sinne des sprichwörtlichen „Wen die Götter lieben …“. Habe in den letzten Tagen nochmals zwei Fernsehfilme über ihn angesehen – hauptsächlich aus seiner letzten Leipziger Zeit, mit Rückblicken auf seinen Beginn in Stuttgart und die kurzen Jahre seiner Meisterschaft in Zürich. Und da wirkte er in seinen Statements doch schon ganz erstaunlich ernst und reif.

Und wie wäre es weitergegangen mit seiner Karriere nach jenem traurigen Tag am 21. November 2004? Bei ihm war man sich ja nie sicher, was er denn plante, wie er sich seinen weiteren Werdegang vorstellte. Denn seit Zürich häuften sich die Brüche und Zäsuren in seiner Laufbahn, ging es Auf und Ab wie an der Börse. Endlich wieder mal einer jener selten gewordenen Ballettabende, bei dem sich Musik und Tanz auf gleicher Ohren- und Augenhöhe begegneten – und nicht, wie sonst so oft, als gegenseitige Vergewaltiger. Beethoven, Schumann und der noch nicht einmal siebzehnjährige Mendelssohn-Bartholdy: welch eine Lust zu hören und zu sehen! Das ließen nicht nur die Tänzer auf der Bühne, sondern auch die Staatsorchestralen unter ihrem Maestro James Tuggle spüren.

Wie schön doch Ballett sein kann! Doch dazu bedarf es eines Choreografen, der die Musik liebt – und nicht nur als Knochengerüst für den Tanz betrachtet. Und der Typ ist selten geworden in einer Zeit, welche die Musik zum Wegwerfprodukt entwertet hat. Und der war eben Uwe, den wir den unseren nennen, weil er aus der Familie des Stuttgarter Balletts hervorgegangen, und dem die Harmonielehre der Musik zum Motor seines Tanzdenkens geworden ist. Wie sehr wir ihn vermissen! Und wie sehr wir ihn an diesem Abend in dieser Konzentration genossen haben. Wie stimmig auch die Kombination von Schumann und Mendelssohn, der der Uraufführungsdirigent dieser Sinfonie war – und dass diese Uraufführung im Leipziger Gewandhaus stattfand. Sozusagen bei den Nachbarn von der Oper, die zu diesem Anlass das Leipziger Ballett, das sich unter dem Ex-Stuttgarter Uwe Scholz seinen internationalen Ruf ertanzt hat, nach Stuttgart geschickt hat – und das heute von dem Ex-Stuttgarter Paul Chalmer geleitet wird.

Leipzig, Zürich und Stuttgart zu dieser Jahreswende im Tanz vereint! Die Leipziger, die bei dieser Gelegenheit bewiesen, dass sie nicht nur ihren Bach verinnerlicht haben. Die Zürcher, die das Mendelssohn-Oktett durchstürmten, als wollten sie gleich noch als Finale den „Sommernachtstraum“ anhängen. Und zum Schluss unsere Neckar-Terpsichoristen, die ihren Beethoven tanzten, als trüge er an diesem Abend den Mendelssohn-Titel „Heimkehr aus der Fremde“ und sei gemünzt auf die Rückkehr der viel zu lange vermissten Maria Eichwald, dieser Kronprinzessin der Kompanie. Und dann nahm auch die große Schweigeminute an diesem Abend eine ganz eigene Bedeutung an, wenn die Tänzer alle im Kreise stehen und stumm auf die leere Mitte blicken, als wenn sie sich am Grab von Uwe Scholz versammelt hätten, den so sehr Vermissten. Und sich doch von diesem Memorial nicht unterkriegen ließen, sondern gleich darauf ins Finale stürzten, das man als eine „Explosion kollektiver Seelenenergie“ bezeichnet hat – und damit ins neue Jahr 2009 stürmten.

Ein Nachgedanke noch! Erinnern wir uns daran, dass Uwe Scholz 1996 für Vladimir Malakhov in Stuttgart die Boulezschen „Notations I-V“ choreografiert hat – sicher die avantgardistischste Kreation seines Oeuvres – auch für Malakhov. Was hätte es für einen Jubel gegeben, wenn sich Malakhov dazu entschlossen hätte, Uwe Scholz zu Ehren an diesem Abend noch einmal die Sternstunde vom 9. Oktober vor zwölf Jahren zu wiederholen!

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