Große Sehnsucht nach neuen Rollen

Diana Vishneva über Pina Bausch, Ratmansky und Baryschnikow

Wien, 23/12/2008

Als die 32-jährige Tänzerin zum Interview kommt, meint man, die ideale Julia vor sich zu sehen. Aber Diana Vishneva lacht und wehrt ab: „Das ist eine meiner vielen klassischen Rollen, aber Giselle, Manon oder Mechmene Banu in Juri Grigorowitschs ,Legende der Liebe' sind fast interessanter. Die Choreografien sind meist anspruchsvoller, die Duette herausfordernder.“

Herausfordernd war im November die Begegnung mit Pina Bausch, Grande Dame des deutschen Tanztheaters. Anlässlich des über die Bühnen Nordrhein-Westfalen gehenden Bausch-Festivals tanzte Vishneva ein Solo aus „Ten Chi“, jenem Werk, das Bausch 2004 in Japan kreierte.

Vishneva: „Ich schätze ihre Kunst besonders und weiß, dass sie selten klassischen Tänzern Gelegenheit gibt, ihre Stücke zu lernen. Was mich fasziniert, Spitzentanz ist die spezielle Philosophie, die hinter ihren Ausdrucksformen steckt. Frauen sind die Kraft und das Zentrum in ihrem Werk.“ Vishneva traf Bausch 2007 in Moskau: „Ich hatte gehört, dass ihr niemand nahe kommen kann. Bei mir war das anders. Die Intensität des Probenprozesses hatte große Wirkung auf mich. Unsere Zusammenarbeit wird sich fortsetzen.“

Vishnevas Neugier auf neue Rollen ist ungestillt. „Lange Zeit tanzte ich fast nur Werke toter Choreografen oder studierte Rollen ein. Das brachte mich dazu, in den USA ein Programm unter dem Titel Beauty in Motion auszudenken.“ Moses Pendleton, Dwight Rhoden und Alexei Ratmansky (Ex-Bolschoi-Ballettchef, neuer ständiger Choreograf des American Ballet Theater) entwarfen drei sehr unterschiedliche Werke für die versatile Gestalterin. „Vor allem Ratmanskys Stück, ein Commedia-dell' Arte-Quartett, würde ich gerne nach Europa bringen. Es handelt sich um Arnold Schönbergs anspruchsvollen „Pierrot lunaire“, eine Wahl, die in den USA durchaus riskant war.“

Im Geheimen hofft Vishneva, dass sie eines Tages mit dem großen schwedischen Choreografen Mats Ek zusammenarbeiten kann. „Das wäre mein Traum! Eben habe ich ein wunderbares Duett gesehen, das er für Mikhail Baryschnikow und Ana Laguna geschaffen hat.“ Für Baryschnikow, der seit den 70er-Jahren in den USA lebt, hegt Vishneva große Sympathie: „Hätte ich hinter dem Eisernen Vorhang gelebt, wäre ich auch abgesprungen.“ Die Freiheit des Reisens nährt indessen Vishnevas Gestaltungswillen: Im Frühling steht eine Prokofjew-Kreation von Ratmansky mit dem American Ballet Theatre in New York bevor.
Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

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