Mitten ins Herz

Das Bolschoi-Ballett beschließt die Petipa-Retrospektive mit „Don Quixote“

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München, 03/05/2007

Diese Münchner! Kommen aus dem Feiern überhaupt nicht mehr heraus! Ehren den großen Petipa mit einer Retrospektive, wie es sie in diesem Umfang überhaupt noch nie gegeben hat. Und bevor die zu Ende ist, starten sie bereits ihren jährlichen Ballett-Frühling (über dessen MacMillan- und Lucinda-Childs-Auftaktpremiere noch nachträglich zu berichten sein wird, da sie mit der Essener Tanzpreis-Gala kollidierte).

Kein Wunder, ist doch der Vize des Bayerischen Staatsballetts ein ausgefuchster Petipa-Spezi! Und auch der in München ansässige Siemens-Konzern delegiert zur Aufpolierung seines derzeit arg lädierten Renommees einen eigenen Münchner Ballett-Experten nach St. Petersburg, damit der in täglichen Dossiers seinen Landsleuten darüber berichtet, was in der selbsternannten Heimat des klassischen Balletts Sache ist (was Balanchine bekanntlich in Abrede gestellt hat).

Und so haben sie denn zum Abschluss ihrer gloriosen Petipa-Retrospektive nach dem St. Petersburger Mariinsky-Ballett auch das Moskauer Bolschoi-Ballett an die Isar gebeten. Und da die Moskauer mit „Don Quixote“, ihrer Firmenschild-Produktion, kamen, blieb im Nationaltheater kein Platz leer, mussten Dutzende Interessierte, die keine Karten hatten, frustriert nach Hause zurückkehren, während die glücklichen Kartenbesitzer in Wonne schwammen und die Begeisterung überkochte. Kein Vergleich mit der Stimmung in der Deutschen Oper Berlin bei ihrer nagelneuen „Sylvia“ zwei Tage zuvor.

Es war aber auch eine Vorstellung, die mitten ins Herz zielte, so dass man kaum stillsitzen konnte, weil sich die Füße ständig gekitzelt fühlten. Noch eine Klasse besser als kürzlich beim Gastspiel in Baden-Baden. Er scheint ein wahrer Magier zu sein, dieser Alexej Ratmansky, seit 2004 Chef des Bolschoi-Balletts, der es in drei Jahren geschafft hat, der Kompanie all ihren sowjetischen Pomp-and-Circumstance-Mief auszutreiben, sie von Grund auf zu entschlacken, zu verjüngen und zu modernisieren.

Über das neue Erscheinungsbild ihres „Don Q“ hat hier Münchens eigener Ballett-Experte detailliert am 23. April anlässlich des Gastspiels der Moskowiter beim Mariinsky-Festival berichtet, so dass ich mir eine weitere Schilderung ersparen kann. Nur so viel: es war ohne Zweifel für mich die beste Ballettvorstellung dieser Saison, und ich habe Mund, Augen und Ohren aufgesperrt, die nicht fassen konnten, was da auf sie zu brandete. Nicht nur von den sensationellen Solisten mit Natalia Osipova als Kitri und Ivan Vasiliev als Basilio an der Spitze, sondern auch von allen ihren fabulösen Kollegen und dem pure Lebenslust aus allen Poren verströmenden Corps de ballet. So lebensermutigend kann Ballett also sein! Danke für diese ebenso elementare wie charmante Lektion in Elan vital!

 

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