Fremd in der eigenen Haut

Körperbilder im zeitgenössischen Tanz untersucht das Festival „Context“ im Hebbel am Ufer

Berlin, 13/02/2007

Was lange als TanzWinter kleiner Bruder des großen Festivals „Tanz im August“ war, hat mit neuem Namen zu Eigenexistenz gefunden. „Context“ nennt sich jene Plattform für zeitgenössischen Tanz in den drei Spielstätten des Hebbel am Ufer und sieht bereits ihrer vierten Ausgabe entgegen. Unter dem Titel „Cover“ präsentiert sie vom 17. bis 25.2. acht themenbezogene Choreografien. Der in der Popularkunst verwendete Begriff Cover meint den von einem anderen Interpreten nachgesungenen Song, die originell gestaltete Plattenhülle oder Frontseite eines Magazins, das in entlehnter Pose mit einem anderen Körper nachgeschossene Foto. „Context“ zielt auf das teils auswüchsige Bestreben, seinen Körper einem geltenden, medial verbreiteten Ideal anzupassen, nicht man selbst sein zu wollen, sich zu inszenieren. Wie sich das im zeitgenössischen Tanz spiegelt, reflektieren die ausgesuchten Beiträge.

So stellt der Franzose Rachid Ouramdane in seiner Choreografie „Cover“ La Bourette aus, einen androgynen Pariser Body-Artisten und Gay-Aktivisten, Performer, Poeten, Schmuck-Designer, einen Grenzgänger zwischen den Geschlechtern auch. In seinem Solo „Martha@HAU“ schlüpft der New Yorker Tänzer Richard Move in die Figur Martha Grahams, moderiert, tanzt, persifliert und wird so zu einer Coverversion dieser Pionierin der Tanzmoderne. „Some others and me“ bündelt drei Annäherungen an Elettra de Salvo: Die Choreografen Prue Lang und Jochen Roller sowie die Dramaturgin Célestine Hennermann, alle zwei Jahrzehnte jünger als ihr beobachtetes Objekt, schufen der Schauspielerin sehr persönliche Personalstudien auf den Leib. Auf aktuelles politisches Terrain begibt sich die in Paris lebende Engländerin Lucy Orta. Ihr Projekt „Fallujah“ verhandelt auf der Basis authentischer Texte die brutale US-Invasion 2003 in die westirakische Stadt und die massiven Menschenrechtsverletzungen, bis hin zum Abwurf chemischer Bomben. Im Mai hat die Produktion Premiere in London, in Berlin läuft eine gekürzte Vorabfassung.

Zwischen Kunst und Kitsch situiert das in Paris und Wien angesiedelte Kollektiv Superamas seine Stücke. „Big - 3rd Episode“ entlarvt die Methoden einer cleveren Unterhaltungsshow. Um die Erkundung des ekstatischen Körpers geht es dem New Yorker Wahlberliner Jeremy Wade in „And pulled out their hair“, seinem ersten Gruppenstück. Der französische Multikünstler Christian Rizzo setzt einen Zirkusartisten ohne dessen Motorrad in Szene und diskutiert anschließend mit einem jungen Modedesigner über Körperbilder.

Besonders spannend dürfte sein, wie sich in einem gemeinsamen Programm die Begegnung des Staatsballetts Berlin mit dem Dresden SemperOper Ballett in den Festivalkontext einfügt. „Zur Politik der Pose zwischen Bild und Performance“ nennt sich ein zweitägiges Begleitsymposium mit internationalen Referenten.

17.-25.02., Hebbel am Ufer

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