Ein Spagat zwischen Event und Experiment auf Kampnagel

Intendantin Amelie Deuflhard will Türen und Tore öffnen

Hamburg, 24/10/2007

Kampnagel entstand, als die Fabrik aufhörte und das Theater anfing. An der Schnittstelle zwischen Abrissplänen der Stadt und einer Belagerung durch freie Hamburger Theatergruppen, die 1982 auf dem Fabrikgelände das erste Festival mit dem wegweisenden Titel „Besetzungsprobe“ veranstalteten.

Das war vor 25 Jahren, doch bis heute gibt es auf Kampnagel dreckige, scheinbar vergessene Ecken, die noch aus der Zeit der Kranproduktion stammen - ein Merkmal alternativen Theaters? Sicher ist: Wenn Amelie Deuflhard, jüngste Kampnagel-Intendantin und seit Sommer 2007 im Amt, ihr dreitägiges Eröffnungsfestival „Besetzungsorgie“ nennt, dann geht ihr Blick auch zurück: Zu den hoffnungsvollen Anfängen, den Veranstaltungen mit Protestcharakter, zum Mythos Kampnagel und seinen Pionieren.

Das passt zur aktuellen Stimmung in Hamburg, denn an die neue Intendanz knüpfen sich große Erwartungen: Böse Zungen hatten behauptet, Kampnagel sei in den vergangenen Jahren mehr oder weniger aus der Hamburger Theaterlandschaft verschwunden - das Angebot bewege sich in Extremen zwischen Events fürs Massenpublikum und arg gewagten Experimenten. Nun hofft man, in der neuen Ära möge die große Zielgruppe dazwischen deutlich mehr angesprochen werden.

Zwei spektakuläre Starts wurden bereits hingelegt: Drei Tage Eröffnungsfestival mit verschiedenen Kunstsparten Ende September und knapp einen Monat später die unkonventionelle Einweihung von „K3 - Zentrum für Choreografie“. Mit diesem Zentrum entsteht eine eigenständige Institution, die Kampnagel auf dem Gebiet des zeitgenössischen Tanzes in die vorderste Reihe Deutschlands rückt.
Amelie Deuflhard scheint sämtliche Türen und Tore der Kulturfabrik weit öffnen zu wollen, eine Durchlässigkeit in beide Richtungen anzustreben: für Gastspiele - Royston Maldooms Tanzprojekt fand 2006 im Schauspielhaus statt, 2007 ist es wieder auf Kampnagel zu Hause -, für eigene Produktionen von Künstlern, die neue Genres erfinden, für große Namen, die nie zuvor in Hamburg Station machten, und schließlich für ein Publikum, das vielleicht erstmals die (Hemm-)Schwelle der ehemaligen Fabrik überwindet.

Und natürlich bleibt Kampnagel mehr als ein Theater: Ausstellungen, Jugendclubs, Konzerte und ein Crossover mit dem Architekturfach sollen ebenfalls Raum finden. Die rund hundert Premieren vergangener Spielzeiten (mit durchschnittlich 115000 Zuschauern) will das neue Team offensichtlich toppen: Allein in den ersten vier Wochen gabs schon 14 Premieren.

Info: Gut zu wissen

- 1865 wird die Fabrik Nagel & Kaemp gegründet. Sie baut Kräne, die noch heute in den Häfen aller Kontinente stehen.
- Nach Stilllegung der Produktion 1981 plant der Senat erst mal den Abriss aller Hallen.
- Kampnagel ist heute Deutschlands größte freie Spiel- und Produktionsstätte, zählt zu den international bedeutendsten Bühnen für darstellende Künste

Grund zur Freude - das kommt auf Kampnagel

Es gibt wieder mehr Musik auf Kampnagel „Musicflash“ heißt eine neue Reihe mit regelmäßigen Konzerten und neuen Formen des Musiktheaters. Dazu gehört „Monsters and Prodigies“, aber auch ein Konzert von Rufus Wainwright (29.11.) oder „Ligeti Remixed“ (10.12.).
- Kampnagel wächst über sich hinaus und in die Stadt hinein, Performances werden an Orten in Hamburg auftauchen, die nie zuvor bespielt wurden.

-John Neumeiers legendäres Ballett „Othello“ wird am 28.2.2008 auf Kampnagel wieder aufgenommen.
www.kampnagel.de

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