Trommeln, Marimbas und Tanz

„Internationales Choreographenprojekt“ unter Zöllig in Bielefeld

Bielefeld, 14/05/2007

„Drumming“ von Steve Reich gehört längst zu den faszinierendsten Klassikern der minimal music. Am Bielefelder Theater bildet die selten live zu erlebende vierteilige Schlagwerk-Komposition jetzt das akustische Rückgrat für einen fast zweistündigen Tanzabend, der auf deutschen Bühnen seinesgleichen sucht. Tanzchef Gregor Zöllig ist es gelungen, für sein „internationales Choreographenprojekt“ drei Kollegen aus Israel, Frankreich und Norwegen zu gewinnen, mit ihm gemeinsam je einen Teil der Musik zu choreographieren.

Gleichzeitig engagierte er die nahezu komplette Schlagwerk-Klasse der Musikakademie Detmold unter der Leitung des Solo-Schlagzeugers Sven Pollkötter. Zu schade, dass die jungen Musiker mit ihren afrikanischen Trommeln, Marimbas, Glockenspielen, Xylophonen, Flöte und Stimmen im versenkten Orchestergraben agieren. Aber zu gewaltig ist der Apparat, um ihn für das Publikum sichtbar zu machen ohne Beeinträchtigung der Sicht auf die Tänzer. Trotzdem galten die minutenlangen Schlussovationen des Premierenpublikums ebenso den Musikern wie den Tänzern und nicht zuletzt auch Ausstatterin Imme Kachel und Dramaturgin Christine Grunert.

Zöllig eröffnet das choreographische Quartett. Durch vielfach von oben nach unten geschlitzte oder horizontal in Bahnen zerteilte Stoffvorhänge werden Gliedmaßen sichtbar, Köpfe und Hinterteile. Hände mit gespreizten Fingern flattern, vertikal in der Luft schwebende Beine zittern. Menschen werden sichtbar – hier die obere, dort die untere Hälfte. Endlich ist einer voll da – und wie! Der Italiener Gianni Cuccaro tanzt auf die sich stetig wiederholenden, minimal abgewandelten Trommelparaphrasen ein über zehnminütiges, schwindelerregendes Solo.

Shlomi Bittons Beitrag konterkariert die stolpernden Marimba-Rhythmen und den Sprechgesang mit Szenen aus der virtuellen „second life“-Welt: drei poppige Lara Croft-Püppchen zucken und rucken. Ihr silberner „Meister“ wird zum Spielball. Im Hintergrund hält die ebenfalls space-silberne Claudia Braubach drei Filous in Schach: königsblau wie die Flokati-Sessel sind die blinden „Schoßhündchen“ der Diva gewandet. Mal gröhlen, mal keifen, mal kläffen oder jaulen sie – je nachdem, wie lang die Leine ist... Sehr unterhaltsam! Durch Kettenvorhänge mit buntem Glühbirnen-Saum hechten und hecheln fünf vermummte schwarze Gestalten in Lionel Hoches zu den Xylophon-Klängen, die wie Spieluhren klingen - gespenstisch!

Den Drive, die verkappte Spannung, die Steve Reichs so ganz und gar nicht monotone Musik trägt, erfasst aber nur wirklich der Norweger Jo Stromgren. Auf einer völlig leeren, schwarz ausgekleideten Bühne hat er in meisterhafter Raumgeometrie seine drängende, dynamische Gruppenchoreografie mit den vier Tänzerinnen und fünf Tänzern entwickelt. Perfekt steigern sich die Gruppen- und Raummuster ganz wie die Musik, die mit zartem Schlagen eines Ührchens, dann mit dem steten Tropfen oder Fallen eines Gegenstands beginnt und im Zusammenspiel des gesamten Ensembles kulminiert. Aus der forsch schreitenden Tänzer-Gruppe fallen immer wieder einzelne zurück. Am positivsten fällt dabei die zierliche Polina Ogryzkova in ihren Soli und einem kurzen Duett mit Michael Löhr auf. Noch nie hat Gregor Zöllig seine Truppe derart gefordert, noch nie hat sie sich derart vielseitig bewährt.
 

Uraufführung 21.04.2007
www.theater-bielefeld.de

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