Im eigenen Saft

Ein paar Nachgedanken zur Stuttgarter Spielplankonferenz

oe
Stuttgart, 13/06/2007

Niemand wird dem Stuttgarter Ballett einen Mangel an Aktivität vorwerfen. In der Tat kann man sich leicht verzählen, wenn man die Summe der Vorstellungen im Großen Haus, im Schauspielhaus und Kammertheater, bei den Outreach-Destinationen im Theaterhaus, der Staatsgalerie und im Kunstmuseum addiert und dazu noch die diversen Gastspiele rund um den Globus rechnet. Ein bisschen kommt mir die Bekanntgabe der Pläne für die nächste Spielzeit immer wie die jedes Mal mit Spannung erwartete Haushaltsdebatte im Bundestag vor – mit dem Unterschied freilich, dass dort höchst kontrovers über die Vorschläge der Regierung diskutiert wird, während es bei den Absichtserklärungen unseres Intendanten-Kollektivs keinerlei Opposition gibt, sondern eine über 90-prozentige Akklamation à la DDR die Regel ist.

So auch diesmal bei der Spielplankonferenz für 2007/08, bei der man sich schon einmal fragen konnte, ob das Stuttgarter Ballett nicht doch zu sehr im eigenen Cranko-Saft schmort – ohne sonderliche Frischluftzufuhr. Und wenn immer argumentiert wird, dass kein Geld für Gastspiele der großen internationalen Kompanien vorhanden ist, fragt man sich doch, warum sich Stuttgart nicht an die Tourneen anschließt, zu denen andere Truppen nach Deutschland kommen. In dieser Beziehung kann Stuttgart keineswegs mit London, Paris oder New York konkurrieren – nicht einmal mit Berlin oder München, beziehungsweise Wien. Und wenn schon nicht eine Kompanie vom Rang des American Ballet Theater, der Pariser Opéra oder des Royal Ballet – warum nicht einmal einzelne ihrer Tänzer zu Gastspielen nach Stuttgart einladen, wenn die ohnehin an der Spree, an der Isar oder Alster gastieren? Stuttgart kann wahrlich von Glück sagen, dass es Baden-Baden und Ludwigsburg gibt.

Hierorts warten wir indessen noch immer auf das lokale Debüt einer Polina Semionova, von Uljana Lopatkina oder Ethan Stiefel. Ganz zu schweigen von einer Einladung an Christopher Wheeldon, den heute weltweit am meisten diskutierten klassischen Choreografen, der eher beim Hamburger oder Zürcher als beim Stuttgarter Ballett gastiert. Und was ist von einem Stuttgarter Hauschoreografen zu halten, der vor Beginn der offiziellen Spielzeit in der Off-Szene ein Ballett für zwei Tänzer choreografiert, sich bei der großen Kompanie aber mit der Wiederaufnahme einer seiner Hit-Produktionen begnügt?

Übrigens bin ich jetzt echt gespannt, wie es sich mit dem lautstark annoncierten Comeback der „Grand Opéra“ verhält – ob man sich in der Stuttgarter Direktionsetage daran erinnert, dass es sich bei der so ausgesprochen französischen Gattung um große Ballettopern handelt, die bei „Les Troyens“ für das Ballett immerhin „Ringkämpfer, orientalische Tänzerinnen, Sklaven und nubische Sklaven“ vorschreibt und für „La Juive“ eine „große Ballettpantomime im III. Akt“. Böten sich doch zwei prima Gelegenheiten für die neuerdings so viel beschworenen „Cross-Over-Produktionen“. Wie wir sie ja übrigens bei den letzten „Trojanern“ in Stuttgart vor genau vierzig Jahren schon einmal hatten – Choreografie (damals noch Choreographie geschrieben): Anne Woolliams. Interessant übrigens auf meinem Theaterzettel vom 7. März 1967: „Wegen plötzlicher Erkrankung von Mario del Monaco singt in der heutigen Vorstellung die Partie des Aeneas Robert Thomas.“ Und weiter: „Für die gekauften Karten wird der Unterschiedsbetrag zwischen den erhöhten Preisen und der Preisgruppe B an der Kasse, auch während der Pause, zurückerstattet.“

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