Der Jerome Robbins Abend beim Staatsballett Berlin

Ein gelungener Start in die neue Spielzeit

Berlin, 05/11/2006

Drei wunderbare Stücke hat das Staatsballett für seinen Jerome Robbins Abend zusammengestellt und zumindest zwei auch wunderbar getanzt. Die Eröffnungschoreografie, „The Concert“ ist eine Parodie auf einen Konzertbesuch, bei dem die Zuhörer – geleitet von der Musik Chopins – in andere Sphären entschweben, aber auch auf mörderische Gedanken kommen.

Die Musik inspiriert zu komischen, zugleich aber auch großartigen Bildern: Die Tänzer spannen zum Regentropfen-Prélude schwarze Schirme auf, was an ein Werk von René Magritte erinnert, drängen sich dann alle unter einen Schirm, um aus ihrer Mitte eine Tänzerin wie eine Göttin herauszuheben. Als Martin Buczkó und Viara Natcheva, Nadja Saidakova, Michael Banzhaf, Corinne Verdeil, Martin Szymanski, Sven Seidelmann, Arshak Ghalumyan, Gaela Pujol, Elena Pris und weitere Corps-Tänzer sich am Ende in luftige Schmetterlingsgeschöpfe verwandeln und von der Pianistin und Jägerin Marita Mirsalimova mit einem Schmetterlingsnetz verfolgt werden, haben sie längst die Herzen des Premierenpublikums eingefangen.

Die zweite Choreographie, „Afternoon of a Faun“ zur Musik von Claude Debussy, in der sich Robbins an Nijinskys „L´Après-midi d´un faune“ anlehnt, ist hingegen nicht komisch, sondern lyrisch. Vladimir Malakhov und Polina Semionova treffen im Ballettsaal aufeinander, beide wärmen sich auf, sind mit sich selbst und ihren Körpern beschäftigt und betrachten sich im imaginären Spiegel des Publikums. Langsam baut sich eine erotische Spannung zwischen den beiden auf, die darin gipfelt, dass er sie auf die Wange küsst. Die Anziehungskraft ist offensichtlich, aber sie kann ihre volle Wirkung nicht entfalten, weil beide letztlich immer auf sich selbst konzentriert bleiben. Robbins' Studie aus dem Ballettsaal ist glücklich besetzt – in seiner tänzerischen und schauspielerischen Darstellung ist Malakhov mit Semionova mindestens so überzeugend wie einst mit Margaret Illmann und Yseult Lendvai in Stuttgart.

Etwas schade also, dass das dritte Stück des Abends „Fancy Free“ – chronologisch gesehen das erste, denn die Choreografie ist das Erstlingsstück Robbins und stammt aus dem Jahr 1944 – nicht den krönenden Abschluss bilden konnte, obwohl es durchaus die Voraussetzungen dafür hätte. Einerseits ist das Sujet vielversprechend: Drei junge Matrosen auf Landgang haben 24 Stunden Zeit, sich Mädchen zu erobern. Andererseits wurde die Musik von Leonard Bernstein eigens dazu komponiert (der Beginn einer legendären Zusammenarbeit zwischen Robbins und dem Musiker) und schafft mit ihren Einflüssen aus Jazz und lateinamerikanischen Rhythmen eine für diese Handlung prädestinierte Atmosphäre.

Leider gelingt es den Tänzern nicht immer – Dinu Tamazlaceru noch am besten – diese lockere amerikanische Art zu verkörpern und die musikalischen Pointen herauszuarbeiten. Auch die drei koketten Damen Mariane Joly, Viara Natcheva und Maria-Helena Buckley versuchen tänzerische Funken zu erzeugen, die aber – vielleicht auch wegen nicht ganz geglückter Abstimmung mit dem Orchester – nicht immer überspringen.

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