„Ich habe keine Message, ich würde aber gerne wichtig sein für den Tanz“

Ein Interview mit Martin Schläpfer

Mainz, 23/01/2006

Martin Schläpfer, Chef des ballettmainz, gilt als einer der profiliertesten deutschen Choreografen, dessen Arbeiten längst nicht mehr nur bundesweit Beachtung finden. In Mainz hat der gebürtige Schweizer binnen sieben Jahren ein Ensemble geformt, das international Anerkennung erntet. Diana Deutschle hat den „Ballettmaniac“, wie er sich selbst bezeichnet, vor dem Gastspiel im Ludwigsburger Forum getroffen:
 

„Der Genius eines Martin Schläpfers“, „Lyriker der Ballettgeneration“, „herausragende Ballettpersönlichkeit“ – Ihr Ruf als Erfolgschoreograf eilt Ihnen voraus. Wie gehen Sie damit um?

Ich glaube nicht, dass es mir bewusst ist. Das schießt mich nirgendwo hin, es verändert mich nicht. Höchstens in Form eines Erwartungs- und Produktionsdrucks, der steigt. Man wird härter angefasst, von der Presse, vom Publikum. Das spüre ich schon.

Trotzdem produzieren Sie unaufhörlich, am 10. Februar gibt es den 20. Tanzabend in sieben Jahren.

Manchmal gibt es auch sehr schlaffe Phasen bei uns, auch bei mir. Ich habe auch sehr viel Angst, Kreationsängste, aber das gehört vielleicht auch dazu. Ich habe ich mir auch schon überlegt zu pausieren. Aber das will ich im Moment nicht. Es ist eine Passion.

Wenn man Sie bei Ihrer Arbeit beobachtet, hat man den Eindruck, Sie vergessen alles um sich herum.

Ich liebe ja das Ballett, ich liebe aber auch den zeitgenössischen Tanz. Der Tanz muss sinnlich sein, erotisch sein, aber auch heutig. Ich habe sicher keine Message, ich würde aber schon gerne wichtig sein für den Tanz. Im klassischen Ballett wird sehr schlecht unterrichtet, ohne Spirale, viel zu auswärts. Ich sehe fast niemanden, der in dieser Technik gut trainiert ist, und das tut mir weh. Äußerlich schon, aber nicht als Ausdruck von etwas Wahrem, als menschliches Wesen. Aber auch Ballett hat sehr viel Erde. Das würde ich gerne verbessern.

Wie wichtig ist ihr Ensemble für dieses Vorhaben?

Ich bin kein purer Choreograf. Das heißt: Ich kann schon choreografieren, aber ich brauche mein Ensemble. Ich mache gerade eine Arbeit für das Het Nationale Ballet in Amsterdam und später sicher auch an anderen Häusern. Dennoch ich kann mir nicht vorstellen, ganz ohne Ensemble zu sein. Insofern ist meine Kunst gar nicht so frei, ich bin verdammt abhängig von meinen eigenen Leuten. Sie machen viel für mich, ich mache viel für Sie.

In Kürze verlässt Ihr langjähriger Weggefährte, Intendant George Delnon, Mainz. Sie haben nach einigem Hin und Her bis 2009 verlängert.

Delnon hat mir Carte blanche gegeben, das wird mir schon fehlen. Ich hätte mit nach Basel mitgehen können, aber Basel spart. Ich komme nur dorthin zurück, wenn es 25 Stellen gibt, 20 habe ich ja in Mainz schon. Ich kann als Schläpfer nicht in die Schweiz zurückgehen und einfach nehmen, was da ist, auch aus politischen Gründen. Man darf Träume nicht billig leben. Diesen Mut möchte ich mir bewahren.

Jetzt steht Ihnen die Zusammenarbeit mit dem Neuen Matthias Fontheim bevor. Bedenken?

Fontheim und ich sind verschieden. Er hat andere Vorstellungen vom Ballett, Vorstellungen, die mich auch eingrenzen könnten. Er liebt das Spartenübergreifende. Wenn man dann nicht solche Fehler macht, dass Tänzer zum Beispiel viel sprechen müssen, finde ich das sogar gut. Aber ich zwinge mich immer dazu, den Mut zu haben, Ade zu sagen. Wenn man mich haben will, dann sage ich, wir brauchen zum Beispiel eine neue Probenbühne, und die habe ich auch bekommen.

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