Die Verklärung des Narziss

Ismael Ivo und Takashi Kako im Theaterhaus

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Stuttgart, 17/08/2006

Von seinen Stuttgarter Fans wie der sprichwörtliche heimgekehrte Verlorene Sohn gefeiert, gastierte Ismael Ivo mit dem zusammen mit dem japanischen Pianisten Takashi Kako und dem Butoh-Guru Ushio Amagatsu erarbeiteten „Apokalypse“ im Theaterhaus. Uraufgeführt 1989 in Tokio und angeblich schon einmal im alten Stuttgarter Theaterhaus zu sehen (woran ich mich nicht erinnern kann), gibt sich das gut einstündige Stück als eine Performance, an der Musik (der 1947 geborene Kako als Improvisator am Klavier) und Ivo als Tänzer (mit strikt geheim gehaltenen Geburtsjahr – Anfang der achtziger Jahre heimste er in São Paulo seine ersten Preise ein, da dürfte er also Mitte zwanzig gewesen sein) zu gleichen Teilen beteiligt sind. Als Dritter im Bunde fungiert der 1949 geborene Amagatsu von der Sankai Juku Kompanie als Ko-Konzeptionist und Regisseur. Da haben die drei also bereits vor 17 Jahren einen Dialog der Kulturen zelebriert, wie er inzwischen zu einer zeitgeistigen Modeerscheinung geworden ist (siehe Akram Khan mit Sidi Larbi Cherkaoui und Pichet Klunchun mit Jérôme Bel).

Und so führen sie denn ihren Dialog zwischen Musik (die beginnt mit sanft vor sich hin wogenden Klängen, während Ivo bewegungslos am Boden liegt – ein schläfriger Narziss am Nachmittag) und Tanz – einen, laut Programm, Zyklus über Leben und Sterben, wobei es manchmal tatsächlich den Anschein hat, als ob Ivo die Klänge aus dem Flügel beschwört, richtig herauszieht, während andererseits Kako den Tänzer in den auch als prepared Piano bearbeiteten Flügel hineinsaugt. Wenn es sich denn bei der Apokalypse um Visionen vom Weltende handelt, so brauchen wir uns nach dieser Apokalypse keine ernstlichen Sorgen zu machen. Mit seinen markanten Profilhaltungen, die Arme gewinkelt oder auch turbanartig über dem Kopf getürmt und seinen frontalen Bauchmuskel-Ondulationen, anfangs liegend, dann kniend, hockend und stehend oder auch den Raum mit Sprüngen durchmessend oder pirouettierend, manchmal auch lautlos vor sich hin murmelnd, praktiziert Ivo sein hierorts bereits bestens vertrautes Bewegungsvokabular: der wiederauferstandene Narziss – diesmal nicht so sehr, wie nach den Vorankündigungen vermutet, als eine Gestalt des Zen-Buddhismus, sondern mit seinem ausgezehrten extrem langgliedrigen Body eher an eine ägyptische Gottheit erinnernd: die Verklärung des Narziss als Tut-ench-Amun.

 

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