Kurt Weill: „Der Kuhhandel“

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Bregenz, 17/08/2004

Das hat aber Spaß gemacht! Großen sogar: Kurt Weills Operette „Der Kuhhandel“ bei den Bregenzer Festspielen im Theater am Kornmarkt. Bei der Londoner Uraufführung 1935, kurz nach Weills Emigration, ein Flop. Dann lange in Vergessenheit geraten. Bei den deutschen Einbürgerungsversuchen, 1990 zuerst in Düsseldorf, später auch in Bautzen, Hagen und Dessau eher mit freundlicher Nachsicht als sonderlicher Begeisterung aufgenommen, wurde die jüngste Premiere ein durchschlagender Erfolg, der sich hoffentlich auch bei ihren Übernahmen nach Wien und Leeds wiederholen wird. Denn Bregenz bestätigte, was die Weillianer schon immer geahnt haben: dies ist eine Operette in der direkten Offenbach-Nachfolge: witzig, ja zynisch-satirisch, gesellschaftskritisch, sprühend, schlagkräftig, ein Füllhorn ohrwurmträchtiger Melodien, rhythmisch prickelnd, brillant instrumentiert und zudem topaktuell – kurzum: musikalisches Unterhaltungstheater mit Pfiff, das das Publikum in Sektlaune auf den Heimweg schickt.

Der Stoff: zwei irgendwo in der Karibik vermutete Inselstaaten, friedlich nebeneinander her lebend, von einem Waffenhändler gegeneinander aufgehetzt, mit korrupten Politikern, machtlüsternen Militärs, hart am Bankrott entlang schrammend, neue Steuergesetze, ein Staatsstreich, akute Kriegsgefahr – und dagegen gesetzt ein herzlich naives Liebespaar, Juan und Juanita und ihre Kuh, von der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten. Wenn – ja wenn nicht die politischen Verhältnisse ihnen einen Strich durch die Rechnung machten (die Kuh wird wegen Steuerschulden gepfändet und Juan in die Sklaverei gepresst). Am Schluss gibt es zwar das obligatorische Happy End, aber bis dahin sind alle möglichen Katastrophen, kleine und große, zu überwinden.

Und die hat David Pountney, neuer Bregenzer Festspielchef und als bekennender Weill-Fan einer der weltweit renommiertesten Opernregisseure, mit viel Fantasie, Esprit und Temperament in Szene gesetzt, mit Christoph Eberle als Dirigent, Duncan Hayler als Ausstatter, Craig Revel Horwood als Choreograf und Markus Holdermann als Light-Designer. Zusammen haben die Fünf vom Kornmarkt mit einer bestens aufgelegten Darstellerequipe eine Show auf die Bretter gewuchtet, ein Spektakel, dass einem Hören und Sehen vergehen: ein theatralisches Fest der Sinne von ansteckendem Elan (nur wünschte man sich die Texte von Robert Vambery ein bisschen zeitgenössisch aufgemöbelt, nicht gar so krachledern gereimt – da müsste ein Kabarett-erfahrener Playdoktor heran).

Und getanzt wird eigentlich immer, dass man kaum unterscheiden kann, wo die Regie in den direkten Tanz übergeht. Denn auch die Chöre sind in die Formationschoreografie einbezogen. Es sind aber auch drei Tänzerpaare beteiligt. Die gebärden sich gleich am Anfang als Kampftruppe des machtlüsternen Generals, als Eliteterroristen und Champions im Kickboxen. Und treten dann immer wieder in anderer Montur in Erscheinung. Nicht nur bei einem funkenstiebenden Fandango, sondern beispielsweise auch als schuftende Arbeitssklaven und beim großen Ball des Präsidenten und als waffenstrotzende Soldaten. Vor allem dann aber im zweiten Teil, der im „Etablissement“ von Madame spielt, wo die als hochgeschürzte Damen des horizontalen Gewerbes und kesse Transvestiten eine zünftige Show hinlegen. Das hat Mr. Horwood mit ausgesprochen fetzigem Musical- und West-End-Knowhow arrangiert. Und so wird man mit Fug und Recht behaupten dürfen, dass Kurt Weills „Der Kuhhandel“ (alias „A Kingdom for a Cow“) in Bregenz seine verspätete (aber nicht zu späte) legitime Uraufführung erfahren hat! (Besuchte Aufführung am 13.8.2004)

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