Ein Ballet noir für einen Solotänzer

Ismael Ivo: „Delirium of a Childhood“

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Stuttgart, 02/12/2004

Er gehört seit langem zu den Stammgästen im Off der Stuttgarter Tanzszene: der Brasilianer Ismael Ivo, inzwischen 49, der so gerne mit einer kleinen Kompanie avantgardistischen Zuschnitts im Theaterhaus ansässig geworden wäre. Diesmal kam er mit einer Solovorstellung seines 1989 in Weimar kreierten „Delirium of a Childhood“ ins Wilhelma-Theater, und sein hiesiges Publikum ließ ihn auch bei seinem jüngsten Besuch nicht im Stich.

Es sind traumatische Szenen, die er in seinem 50-Minuten-Stück aneinanderreiht – ein Rückblick auf eine Kindheit, die von Armut, Hunger und Elend geprägt war. Sie haben etwas Urtümliches, Erdhaftes – wie er selbst, minutenlang am Boden verharrend und in sein langes Gewand gewickelt, zu verwehenden Mundharmonika-Klängen peu à peu Gestalt annimmt – quasi ein aus Lehm geformter Mensch. Ein Mensch? Eher ein Elementarwesen, wie er sich da vierfüntelnackt blauhhäutig zwischen den Lichtspots und wenigen Requisiten auf der Bühne bewegt, hin und her gerissen wie die Musik zwischen Gustav Mahler und Fetzen afrikanischer Folklore. Hoffnung und Verzweiflung sind die Pole, aber der Grundton ist schwärzester, schier auswegloser Pessimismus, so dass man auch dem Lachen am Schluss misstraut. Ein Ballet noir für einen Solotänzer. Hieß der nicht genannte Librettist womöglich Samuel Beckett?

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