Zwei neue Ballettbücher aus Stuttgart und München

oe
Stuttgart, 27/01/2003

Einfach schick, wie sich unsere heutigen großen Ballettkompanien ihrem Publikum gegenüber darstellen. Zwei von ihnen haben jetzt neue Bücher herausgebracht; Stuttgart und München.
Das Stuttgarter war ursprünglich zum 40. Jubiläum der Kompanie für den Herbst 2001 von einem renommierten lokalen Verlag geplant. Alles schien vorzüglich zu verlaufen, die Autoren lieferten ihre Texte pünktlich ab, die Fotografen ihre Bilder, der Redaktionsstab um Vivien Arnold durchstöberte die Archive und entdeckte dabei viele noch nicht veröffentlichte Fotos – der Verlag kündigte das Buch „40 Jahre Stuttgarter Ballett“ bereits in seinem Herbstkatalog 2001 an. Doch dann gab es Verzögerungen. Das Erscheinungsdatum wurde ein ums andere Mal verschoben. Das neue Jahr zog ins Land, es wurde Frühling 2002, dann Frühsommer, und schließlich stellte sich heraus, dass dem Verlag das Projekt zu teuer wurde. Erst wollte er die Rechte nicht herausgeben, wieder vergingen Wochen, dann nahm die Stuttgarter Ballettdirektion im Zusammenwirken mit der Stuttgarter John-Cranko-Gesellschaft die Sache in die Hand, zu Vivien Arnold gesellten sich Sabine Bisazki und Monika Mayer als Koredakteure und als weitere Mitarbeiter Rainer Woihsyk, Alexandra Karabelas, Jörg Skupin, Ulrike Koch, Hella König und Gabriele Mayer, und kurz vor Weihnachten erschien mit einjähriger Verspätung als Sonderausgabe das „Stuttgarter Ballett Annual 24/25“ mit dem Untertitel „40 Jahre Stuttgarter Ballett – 30 Jahre John Cranko Schule – 25 Jahre Stuttgarter Ballett Annual“, herausgegeben von der John-Cranko-Gesellschaft und dem Stuttgarter Ballett, 204 Seiten stark, mit zahlreichen Fotos, die Texte in deutscher und englischer Sprache, Ladenpreis 29.90 Euro – keine ISBN Nummer.

Es ist ein prächtiger Band geworden, mit vielen ganzseitigen, überwiegend farbigen Fotos. Die Textbeiträge beginnen mit einem großen Interview mit Reid Anderson, es folgen dann Tänzerporträts von Patricia Salgado, Filip Barankiewicz, Alicia Amatrirain, Douglas Lee und Friedemann Vogel. Dann geht es weiter mit einem Rückblick auf die Spielzeiten 2000/2001 und 2001/2002 von Udo Klebes. Horst Vollmer ehrt Fritz Höver zu seinem 80. Geburtstag, Monika Mayer wirbt für die John Cranko Gesellschaft, ein gewisser oe verbreitet sich seitenweise über „40 Jahre Stuttgarter Ballett“, Hartmut Regitz resümiert „30 Jahre John Cranko Schule“ – weiter gibt es die Personalliste der Kompanie und die Aufführungsstatistiken der beiden letzten Spielzeiten. Das Ganze, wie gesagt, immer wieder unterbrochen durch opulente Fotosequenzen. Das sehr großzügige Layout hat die Stuttgarter Firma Discodoener besorgt. Voilà: ein Prachtband – das, was die Engländer ein Coffee-Table-Book nennen – die Fotos eine Wucht, die Texte – abgesehen vielleicht von dem oe-Beitrag – zum Lesen einladend.

Und was soll ich danach noch zu dem Band „Das Bayerische Staatsballett München – The Bavarian State Ballet Munich“ sagen? Dass es womöglich noch schicker ausgefallen ist, trendiger, weltstädtischer – mit lauter ganz- oft sogar doppelseitigen Superfotos, die jedem Lifestyle-Magazin zur Ehre gereichen würden. Herausgegeben ist es vom Bayerischen Staatsballett München, für die Redaktion zeichnet Bettina Wagner-Bergelt verantwortlich, die Texte stammen von ihr sowie von Katja Schneider und Inge Zürner, die Fotos überwiegend von Wilfried Hösl – die Seiten sind nicht nummeriert, auch diese Publikation hat keine ISDN-Nummer – sie kostet 12 Euro.

Die Texte sind äußerst knapp gehalten. Es geht los mit einer Personenliste der Kompanie, gefolgt von einem summarischen Überblick „Das Bayerische Staatsballett – ein Ensemble zwischen Tradition und Moderne“, unterteilt in die Abschnitte „Repertoire/Dramaturgie“ (darin „Das Repertoire des Bayerischen Staatsballetts – vielleicht das vielfältigste und substanzreichste Repertoire, das auf der Welt zu finden ist ...“ Hört, hört!), „Geschichte“, „Die Englische Schule“, „Der Einfluss John Crankos“ und „Neuorganisation durch Konstanze Vernon“. Dann gibt es nur noch Bilder, Porträtfotos aller Mitglieder der Kompanie und ihres Stabs, gefolgt von den Aufführungsfotos der auf dem Repertoire befindlichen Ballette aus den Jahren seit Ivan Liška sein Amt als Direktor des Bayerischen Staatsballetts angetreten hat.

Zum Schluss folgen dann noch die Biografien der Mitglieder in strenger hierarchischer Reihenfolge von Liška und Kusha Alexi bis Sir Peter Wright und das „Repertoire von Spielzeit 1989/90 bis 2002/03“ (ob da wohl der Platz für das Wörtchen „der“ nicht mehr gereicht hat – denn wie liest sich das „von Spielzeit ... bis ...“?). Gewünscht hätte ich mir bei dem historischen Überblick zumindest einen klitzekleinen Verweis auf die durchaus positiven Aktivitäten der Mlakars während der schwierigen Kriegsjahre und auch auf das Asyl, das sie Albrecht Knust in München gewährt haben – und da ich schon einmal bei den Wünschen bin: Schade, dass in diesem Zusammenhang nicht wenigstens in zwei, drei Sätzen an das Umfeld des Münchner Opernballetts beim Wiederaufbau in den Nachkriegsjahren erinnert wurde – an den unvergessenen Max Niehaus, Axel Kaun, den Prinz zu Wied und Otto Friedrich Regner. Wie gesagt: totschick, dieses „Compagnie-Buch des Bayerischen Staatsballetts“ vom Dezember 2002 mit dem Layout des Pierre Mendell Design Studios. – Claudia Schiffer hätte ohne weiteres das Vorwort dazu schreiben können!

Kommentare

Noch keine Beiträge