„Zooming!“ von Russell Maliphant, Tero Saarinen und Daniela Kurz

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Nürnberg, 05/01/2003

Daniela Kurz ist immer für eine Überraschung gut! Und so sehen wir uns mit dreihundert anderen Besuchern im offenen Geviert auf der Bühne des Nürnberger Opernhauses sitzen und in den leeren Zuschauerraum starren. Als Tanzfläche dient ein großes weißes Quadrat sowie ein kleineres Podest in den hinteren Reihen des Saals, und die tänzerischen Funken sprühen zwischen den beiden Orten. Es geht um Nähe und Ferne: „Zooming!“ heißt das neue Programm des Nürnberger Balletts, das sich Kurz mit zwei renommierten Kollegen teilt: dem englischen Choreografen Russell Maliphant (demnächst auch beim Stuttgarter Ballett) und dem Finnen Tero Saarinen. Es ist erstaunlich, wie es ihr (und Martin Schläpfer in Mainz) mit ihrem minimalen Etat immer wieder gelingt, profilierte Choreografen nach Nürnberg zu locken, zu verdanken hat sie das zweifellos ihrem inzwischen auch international respektierten Renommee.

Um gleich los zu werden, was mir an dem Hundert-Minuten-Programm missfällt: dass nun offenbar auch die Meistersingerstadt, nicht gerade dem welschen Tand verfallen, aber von der englischen Krankheit angesteckt worden ist. „Zooming!“, wie gesagt, ist der Titel, die Veränderung der Brennweite der Linse bei der filmischen Aufnahmetechnik, um einen Gegenstand dichter heranzurücken oder weiter zu entfernen.

Die sechs Stücke sind „Two“, „Knot“, „Two by Two“, „A Man in a Room, Gambling“, „Westward Ho!“ und „Towards the Corner“ betitelt. „A Man in the Room, Gambling“ ist sogar ein englisches Hörfunkstück, in dem es ums das Tricksen beim Kartenspiel geht. Nun mögen ja allerlei Korrespondenzen zwischen Text und Kurzens uraufgeführter Choreografie bestehen, doch auch im Englischen versierte Zuschauer verstehen davon nicht viel mehr als das Wort „Cards“ und im Übrigen Bahnhof!

Ich halte das für eine ausgesprochene Ungehörigkeit dem Publikum gegenüber und kann mir nicht vorstellen, dass ein englisches oder amerikanisches Publikum so gelassen darauf reagieren würde, wenn man es mit einer derart geballten Ladung Deutsch konfrontierte. Wären Maliphants drei Beiträge etwa andere Stücke, wenn sie statt „Two“ „Zwei“ hießen, statt „Knot“ „Knoten“ und statt „Two by Two“ „Zwei zu Zwei“?

Genug des Grolls! Denn tänzerisch bereitet der Abend reines Vergnügen. Wie da Tänzer gleichsam fokussiert und dann wieder in die Ferne gerückt werden, wie einzelne Gliedmaßen punktartig isoliert werden oder Nähe und Ferne miteinander synchronisiert werden, wie sich da zwei Tänzer unmittelbar vor den Zuschauern derart rettungslos verknäueln, dass man versucht ist, einzugreifen und ihren gordischen Knoten zu durchzuhauen, wie alle drei Choreografen immer wieder auch humoristische Episoden einbauen und so dafür sorgen, dass der hehre Ernst ihrer Bewegungslaborerkundungen und Analysen aufgelockert wird, das sichert dem Abend eine unterhaltsame Qualität, die für immer neue Überraschungen sorgt.

So sehen wir quasi durch ein Vergrößerungsglas, wie in Nürnberg Tanzarbeit geleistet wird, wie viel Power, wie viel technisches Knowhow (wieder so hübsche englische Wörter), wie viel artistische Virtuosität, wie viel kontrolliertes künstlerisches Gestaltungsvermögen da am Werke sind. „Zooming!“ oder „Das Nürnberger Ballett als ein Kraftwerk des Tanzes!“

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