Reid Anderson verlängert seinen Vertrag bis 2009

oe
Stuttgart, 22/09/2003

Die Bekanntgabe der erfreulichen Verhandlungsfortschritte mit Reid Anderson, der bekundet hat, seinen 2006 auslaufenden Vertrag als Intendant des Stuttgarter Balletts bis 2009 – mit einer Option darüber hinaus – zu verlängern, dürfte bei allen Beteiligten einen Stoßseufzer der Erleichterung ausgelöst haben. Zu klären ist nur noch der verständliche Wunsch Andersons einer einvernehmlichen Einigung über die Berufung der neu zu besetzenden Positionen des Opern- und Schauspielintendanten sowie über die von allen erwünschte und erhoffte Vertragsverlängerung des geschäftsführenden Direktors Hans Tränkle.

Damit sind die Weichen für die zweite Periode der „Stuttgarter Ballettära Reid Anderson“ gestellt. Der erste, mit Ablauf der Spielzeit 2003/04 dann insgesamt neun Jahre währende Abschnitt war, neben der hervorragend gelungenen Verjüngung der Kompanie, vor allem auf die Konsolidierung der Repertoirebasis gerichtet – über die selbstverständliche Pflege des Cranko-Erbes hinaus. Anderson hat sie mit ausgesprochenem Geschick auf verschiedene Pfeiler verteilt: die „klassischen“ Klassiker im Gefolge von „Giselle“ (deren Einstudierungen nicht durchweg befriedigten – siehe „Giselle“ und „Don Quixote“), die modernen Klassiker von Balanchine und Robbins (mit mustergültigen, ja ausgesprochen beglückenden Produktionen etwa von „Apollon musagete“ und „Dances at a Gathering“) über van Manen und Kylián (und leider nicht auch Béjart) bis zu Forsythe (meiner Meinung nach in Stuttgart besser getanzt als in Frankfurt).

Nicht hoch genug einzuschätzen ist auch Andersons Risikobereitschaft zur Zusammenarbeit mit jungen Choreografen – insbesondere die Förderung der choreografischen Talente von Kompaniemitgliedern à la Spuck und Lee, aber auch mit relativ unbekannten Junioren der internationalen Szene. Da ist, unvermeidlich, manches danebengegangen, andererseits aber mancher dauerhafte und repertoirebeständige Import gelungen. Das ist alles in allem eine außerordentlich glückliche, vom Publikum voll mitgetragene Mischung geradezu modellhaften Charakters, mit der das Stuttgarter Ballett auch im internationalen Maßstab hohe Anerkennung genießt. Und der Anderson seinen Ruf als einer der besten Ballettdirektoren der Welt verdankt. Diesen Mann in Stuttgart zu halten, ist eine kulturpolitische Großtat, für die alle Ballettliebhaber den politischen Entscheidungsträgern zu Dank verpflichtet sind.

Jetzt allerdings sind wir gespannt auf Andersons Bekanntgabe der Wegmarkierungen seines zweiten Stuttgarter Karriereabschnitts. Viel wird sicher vom Gelingen von Spucks erster abendfüllender Kreation abhängen. Schön wäre es natürlich, wenn es ihm gelänge, an die Tradition der großen Stuttgarter Abendfüller anzuknüpfen, die vom Publikum (von den Tänzern sowieso) mit gutem Recht favorisiert werden – wie sehr ihm die ganze Gattung von einigen sogenannt progressiven Kritikern auch immer vermiest wird. Persönlich wünsche ich mir von den „klassischen“ Klassikern vor allem „Le Corsaire“ (mit dieser fantastischen Stuttgarter Jungen-Equipe) sowie „La Bayadere“ und „Raymonda“ – entschieden mehr jedenfalls als einen neuen „Nussknacker“ oder ein „Aschenbrödel“ – die allerdings dann in einer beherzten modernen Dramaturgie (und jedenfalls ganz ohne Makarova-Beteiligung)!

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern