Nijinsky-Gala XXIX

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Hamburg, 06/07/2003

Sozusagen das Finale vor der großen, dreißigjährigen Jubiläums-Saison des Hamburger Balletts unter der Leitung von John Neumeier. Die wird dann gebührend zu feiern sein – denn das hat es offenbar noch je kaum zuvor im deutschen Ballett gegeben: eine drei Jahrzehnte währende Ära unter einer Leitung – nicht bei Tatjana Gsovsky in Berlin, und auch nicht beim Stuttgarter Ballett. Neumeier hat den Abend dem Angedenken Rudolf Nurejews gewidmet, der vor zehn Jahren gestorben ist – und dabei auch des fünften Todestages von Galina Ulanowa gedacht. Und wie er das alles in seinen kurzen Introduktionen vor jeder einzelnen Nummer des knapp fünfstündigen Programms miteinander verknüpft – Nijinsky, Nurejew, dreißig Jahre Hamburger Ballett – charmant, auto-anekdotisch, humorvoll: das macht ihm so leicht keiner seiner hiesigen Kollegen nach.

Sogar die umstrittene Hamburger Kultursenatorin gab klein bei und überreichte ihm die höchste Kulturauszeichnung, die die Freie und Hansestadt zu vergeben hat. Wie hätte sie auch anders reagieren können angesichts der überwältigenden Liebe, die Neumeier und seinen Tänzern aus dem Zuschauerraum entgegenbrandete! Es war aber auch ein ungewöhnlich clever zusammengestelltes Programm, das das Publikum an diesem Abend zu sehen bekam, Pas de deux natürlich, Soli, Ensembles, den kompletten Schatten-Akt aus „La Bayadère“ (mit der fabelhaften, aus Berlin importierten Polina Semionowa als Nikiya, gepartnert von Jiří Bubeníček), erinnernd an Neumeiers Hamburger Anfänge (Schlusssatz aus „Dritte Sinfonie von Gustav Mahler“, mit Silvia Azzoni und Alexandre Riabko) und Experimentelles (die konvulsivisch zuckende Kreation „Für Rudolf“ mit fünf Hamburger Tänzern zu einer Studie für Percussion und Klavier von Frank Polter und Dominique Goris), mit allen Hamburger Solisten (darunter Heather Jurgensen mit Lloyd Riggins, Elizabeth Loscavio mit Otto Bubeníček, Anna Polikarpova mit Ivan Urban, Joëlle Boulogne und Peter Dingle) und den zahlreichen Gästen, von denen leider Alicia Cojocaru im letzten Augenblick abgesagt hatte.

Eindeutige Publikumsfavoriten waren Manuel Legris und Laurent Hilaire mit Béjarts „Lieder eines fahrenden Gesellen“ (wie wär‘s denn mit einer Stuttgarter Wiederaufnahme, Mr. Anderson?) und dazu der Shooting Star des Bolschoi-Balletts, Nikolai Tsikaridze mit dem alle seine Manierismen perfekt sublimierenden „Narcisse“-Solo von Goleisowsky (offenbar der russische Nachfolger von Ruzimatov, aber mit der entschieden besseren Figur). Sehr positiv beeindruckt war ich auch von dem mit großer Autorität zelebrierten „Raymonda“-Pas-de-deux, mit Elizabeth Platel und dem mir neuen Yann Saiz, einem veritablen Danseur noble.

Alles in allem eine Gala, wie ich, der ich für Galas nicht sonderlich viel übrig habe, sie mir wünsche – abwechslungsreich, mit immer wieder anders pointierten Höhepunkten. Dazu gehörte auch das Solo von Kader Belarbi mit der erst historisch akribisch auszirkulierten und dann frei variierten „Bach-Suite 2“ und das „Bayadère“-Corps – mit Loscavio, Polikarpova und Jurgensen, das seit der Premiere in der Harmonisierung seiner Enchainements – trotz einiger Wackler – merklich vorangekommen ist. Also dann toi-toi-toi für die morgen beginnende Reise nach St. Petersburg!

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