Nederlands Dans Theater II

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Ludwigsburg, 15/01/2003

Fünfundzwanzig Jahre alt, ist aus dem seinerzeit mit ausgesprochen jugendlichem Elan gegründeten Nederlands Dans Theater II längst eine erwachsene Kompanie geworden. Mit ihren 14 Tänzern zwischen 17 und 22 mag ihr Durchschnittsalter noch immer etwas jünger sein als das ihrer Kollegen vom NDT I, doch die drei Ballette, mit denen sie jetzt im Ludwigsburger Forum am Schlosspark gastierten, könnte man sich genauso gut im Repertoire der Senioren vorstellen. Wobei es natürlich zu bedenken gilt, dass Ballettkompanien generell wesentlich jünger sind als die Ensembles von Schauspiel und Oper. Und wenn sich Johan Ingers „Out of Breath“ Gedanken macht über den Alltag des Menschen und seinen Problemen auf dem Wege zum Dasein der Erwachsenen, so sind die von ihnen vorgeführten tänzerischen Aktivitäten, das stete Umkreisen des im Mittelpunkt der Bühne aufragenden Hügels und das sisypheische Anrennen gegen ihn, ihre bis zur Erschöpfung praktizierte Hektik, die sie mit schlotternd-zittrigen Bewegungen immer wieder am Boden stranden lässt, durchaus nicht nur auf Probleme der Pubertät zurückzuführen.

Danach muten Hans van Manens „Simple Things“ gar wie eine Fortsetzung seines „Solos“ (für zwei) an, bloß dass es sich jetzt um zwei Paare handelt, die sich die Pointen zuspielen. Es sind Parvaneh Scharafali und Medhi Walerski, Dana Johaniková and Bastien Zorzetto, alle vier brillante Virtuosen, die den tänzerischen Gesellenstatus längst hinter sich gelassen haben und durchaus reif sind, in die „große“ Kompanie übernommen zu werden. Nach dem alles in allem doch ziemlich unfokussierten Gewusel im Eingangsballett mutete der ungemein musiksensible und strukturklare Pas de quatre von van Manen – wieder in den schnittigen Kostümen von Keso Dekker und den reinen Beleuchtungsfarben von Joop Caboort – wie ein carthesianischer Essay an: Choreografie aus dem Geist einer musikgezeugten Geometrie.

Kein Mangel an Abwechslung in dem dreigeteilten Programm des Ludwigsburger Abends mit Jiří Kyliáns „27 Minuten und 52 Sekunden“ am Schluss, getanzt von drei Paaren. Auch Kenner der zehnten Sinfonie von Gustav Mahler dürften Mühe gehabt haben, Mahlersche Spurenelemente in Dirk Haubrichs Komposition dingfest zu machen, und ebenso unverbindlich rauschten die multisprachlichen Texte an unseren Ohren vorüber – global nennt man ja wohl diese zeitgeistige Mode der Beliebigkeit.

Was die sechs Tänzer dazu anstellten, bewies allerdings einmal mehr Kyliáns offenbar unerschöpfliche Originalität, denn auf die Idee, den Bodenbelag in die Choreografie einzubeziehen, indem die Tänzer ihn stückweise ablösten und sich in ihn einhüllten, so dass sie wie von Christo verpackte lebende Statuen agierten, ist vor ihm offenbar noch nie jemand gekommen, nicht einmal Alwin Nikolais mit seinen legendären skulpturalen elastischen Kostümen. Und so kamen wir am Schluss doch wieder auf die Ausgangssituation von NDT II zurück, nämlich auf Kinderspiele mit den Kostümen aus Stoff-Fetzen als Erinnerungen an frühe van Manen-Ballette vor zwanzig Jahren, in denen ein Tisch und ein paar Hocker als einzige „Ausstattung“ fungierten.

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