Die Werkstatt trotzt den Skandalen

Während es hinter den Kulissen kracht, bietet die Tanzwerkstatt Europa auch in ihrem 13. Jahr Workshops und ein kleines Festivalprogramm

München, 24/06/2003

Zum 13. Mal veranstaltet Walter Heun in diesem Jahr seine Tanzwerkstatt Europa in München. Die 13 hat dem Tanzmanager dabei tatsächlich Unglück gebracht: Er steht derzeit in München unter kräftigem Beschuss, nachdem er als Alleinkurator eines mit 30.000 Euro dotierten Förderpreises der Stadt ausgerechnet seine Frau vorgeschlagen hat. Der Stadtrat wird dieser Tage über den in den vergangenen Wochen heftig kritisierten Zuschuss in die Familienkasse noch einmal beraten. Nach dieser Krise steht auch nicht mehr fest, ob die Stadt an Heun als künftigem Leiter ihrer Dance-Biennale festhalten wird, wie dies Münchens umstrittene Kulturreferentin Lydia Hartl erst kürzlich überraschenderweise bekannt gab – und damit Cornelia Albrecht abservierte, die Dance 2002 kuratiert hatte und der Hartls Amtsvorgänger Julian Nida-Rümelin die unverbindliche Option für die Verantwortung über die Festivalausgaben 2004 und 2006 zugesagt hatte.

Von all diesen erhitzten Debatten hinter den Kulissen bleiben Teilnehmer und Publikum der diesjährigen Tanzwerkstatt aber verschont: Vom 31. Juli bis 10. August wartet wie in jedem Jahr ein voll gepacktes Angebot an Workshops für Amateure und Profis sowie insgesamt acht Tanzaufführungen, darunter eine Uraufführung sowie vier deutsche Erstaufführungen.

Im Workshop-Angebot sind namhafte Dozenten vertreten: Elizabeth Corbett unterrichtet dabei ihren Forsythe Repertoire-Kurs erstmals auch für Amateure, Rosemary Butcher lädt Profis zu choreografischen Studien unter dem Motto „Finding Identities“ ein, Keith Thompson ist wieder mit Trisha Brown-Repertoire vertreten, Jan Kodet, ehemals Tänzer bei Rui Horta, gibt zeitgenössische Tanzklassen, Beatrice Libonati von Pina Bauschs Wuppertaler Tanztheater beschäftigt sich natürlich mit Tanz im Tanztheater, Michael Laub regt dazu zu Interventionen in 5 Minuten an, und Oleg Soulimenko führt in Improvisationstechniken ein. Zudem stehen Pilates, Gyrokinesis, Tai Chi, HipHop sowie Anfängerklassen auf dem zehntägigen Workshopplan. Die Kursteilnehmer erarbeiten im Laufe der Workshops wieder kurze Präsentationen, die im Rahmen der Abschlussparty der Tanzwerkstatt 2003 am 10. August vorgeführt werden.

Bei der Zusammenstellung des begleitenden Vorstellungsprogrammes zeigt Walter Heun diesmal weit mehr als bloß die aktuellen Produktionen seiner Workshop-Dozenten. Obgleich auch sein Zuschuss vom allgemeinen Streichungskonzert im Stadtetat nicht verschont blieb, ermöglichen zwölf Sponsoren – darunter zahlreiche Kulturinstitutionen wie das Goethe Institut, das Italienische Generalkonsulat und die AFAA/Association Francaise d´Action Artistique ein attraktives Programm, das neue Entdeckungen verspricht. Heun hat dabei zwei thematische Linien verfolgt: Eine Serie von Stücken zeigt Brückenschläge des Tanzes zu anderen Medien, die andere präsentiert Körperkunst, in der in verschiedener Hinsicht der Körper als Objekt der Recherche fungiert, so Heun.

Zur Eröffnung zeigt Lynda Gaudreau, die kanadische Tanzarchitektin, den dritten Teil ihrer Encyclopoedia, der erstmals auf deutschen Bühnen zu sehen ist. Weitere Erstaufführungen: „Verosimile“ von Parts-Absolvent Thomas Hauert, „Morceau“ von Loic Touzé, dem ehemnaligen Solisten der Pariser Oper, sowie die „Suite au dernier mot“ der Spanierin Olga Mesa, die einst mit La Ribot gemeinsame Sache machte. Als Uraufführung ist „There Where We Were“ der italienisch-tschechischen Compagnie Deja Donné zu sehen. Zudem zeigen Christina Ciupke und Gisela Dilchert ihr bereits bei der Tanzplattform im vergangenen Jahr aufgeführtes Rissumriss, und als obligatorischen Klassiker, der über Jahre an München vorbeiging, steht Xavier Le Roys „Self Unfinished“ auf dem Spielplan. Eine viertägiges interdisziplinäres Projekt „Informing Bodies“ schlägt außerdem die Brücken zwischen Tanz, Architektur und Medienkunst.

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