7. Fazit des Festivals und aktuelle Aktivitäten im Jubiläumsjahr

Mariinsky-Festival 2003

München, 26/07/2003

München, 26.07.2003. Die ausgefallene Premiere von „Undine“ machte deutlich, dass die Zeitvorgaben Maestro Gergievs an das Ballett dessen Arbeitsbedingungen so anspannen, dass selbst das pure Einhalten von Plänen manchmal verhindert wird. Dennoch hat das Mariinsky-Theater aufgrund seiner erneuerten Spitzenstellung im klassischen Tanz jetzt zweifellos den Rang einer erstklassigen Adresse in der Weltarena des Balletts. Während es vor zwei Jahren noch Mühe bereitet hatte, Stars anzulocken, schien es in diesem Jahr eine Ehre für die führenden Tänzer der Pariser Oper, des New York City Ballet und des Londoner Royal Ballet zu sein, an dem 10tägigen St. Petersburger Ballettmarathon teilzunehmen.

Höhepunkte waren dabei die Begegnungen der verschiedenen Schulen, die interessante Vergleiche ermöglichten, und die wunderbare Rekonstruktion von „La Bayadère“. Eine solche Behandlung könnte auch dem choreografisch versteinerten „Schwanensee“ aus den 50er Jahren gut tun. Ein Reinfall unter ballettspezifischen Kriterien war die Erweiterung des „Nussknackers“ von Schemjakin um die Episode „Prinzessin Pirlipat oder Der bestrafte Edelmut“. Bitte das Ganze teuer verkaufen an einen Disney-Park! Nach dieser „Pirlipat“ musste man auch, zumal angesichts des Gastspiels des Nederlands Dans Theaters mit Kyliáns „Bella Figura“, als Manko verbuchen, dass die St. Petersburger Kompanie sich nicht, wie voriges Jahr in einem Dreiteiler von John Neumeier, selbst in einer modernen Choreografie präsentieren konnte. Aber im nächsten Jahr darf man wohl mit einem Forsythe-Abend rechnen.

Beeindruckend war die erneut unter Beweis gestellte einzigartige Qualität des riesigen Ensembles des Mariinsky-Theaters und die hohe Zahl seiner erstklassigen Solisten. Bei den herausragenden Tänzern scheint sich die Reihe Ruzimatow, Zelensky, Fadejew mit Leonid Sarafanow fortzusetzen. Neben den bekannten Startänzerinnen Ajupowa, Vishneva und Sacharowa gilt es, Daria Pawlenko als exquisit spielende dramatische Tänzerin wahrzunehmen und in Natalia Sologub, die mit der Titelheldin in „Cinderella“ sowie mit Marie im „Nussknacker“ zwei Hauptrollen tanzte und in der Gala auftrat, einen neuen Tänzerinnentyp zu entdecken: brillant in klassischer Technik und gleichzeitig witzig, natürlich, glaubhaft.

Wenn Ende Juli/Anfang August dieses Jahres das New York City Ballett zum ersten Mal seit 1972 im Mariinsky-Theater zu Gast ist, ist daher die Situation ganz anders als vor 40 Jahren: Damals zeigten die New Yorker Gäste mitten in den Jahrzehnten der sowjetischen Isoliertheit die Gegenwart des Tanzes; heute dagegen können die Mariinsky-Tänzer als Rivalen gelten. Das gleiche gilt für die Gastspiele des Hamburger Balletts und des Royal Ballet während der „Weißen Nächte 2003“.

Einige Wochen nach dem dritten Internationalen Ballett-Festival im Mariinsky hat die Kompanie in der erfolgreichen Premiere von Harald Landers „Études“ wieder eine Prüfung ihrer Stärke bestanden. Anfang Juni folgte die Premiere zweier wichtiger Diaghilew-Ballette, „Les Noces“ von Bronislawa Nijinska und „Le sacre du printemps“ von Waslaw Nijinsky, dem Vernehmen nach ebenfalls erfolgreich. Am 25. Juli beginnt, kurz nach einem 14tägigen Gastspiel in der diesjährigen Europäischen Kulturhauptstadt Graz, ein großes Gastspiel in London. Dort zeigen die Veranstalter Lilian und Viktor Hochhauser mit Mut zum Risiko diese neuen Stücke erstmals im Westen (Daten siehe: tanznetz, Termine, Vorstellungen).

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