Patricia Stöckemann über Kurt Jooss und das Tanztheater

„Etwas ganz Neues muss nun entstehen“

oe
Stuttgart, 24/01/2002

Und nun ist also – wieder bei Kieser in München, unserem so erfreulich aktiven Tanzliteratur-Jungverleger – von Patricia Stöckemann „Etwas ganz Neues muss nun entstehen“ erschienen, untertitelt „Kurt Jooss und das Tanztheater“ (478 Seiten, zahlreiche schwarz-weiße Abbildungen). Es ist ein besonders schönes Buch geworden – schön in seinem großzügigen, zum Lesen stimulierenden Layout, schön gedruckt, mit umfangreichem Anhang (Anmerkungen, exakten Quellenverweisen, Werkverzeichnissen, Personen- und Werkregister). Schön vor allem aber auch, weil es einmal, ganz abgesehen von seiner gründlich recherchierten Informationsfülle, ein so überaus warmherziges Buch geworden ist, geschrieben mit spürbarer Sympathie in einer klaren, unverschmockten Sprache.

Man bekommt einen ungeheuren Respekt vor der Lebensleistung von Jooss, seinem Wirken als Tänzer, Choreograf, Kompanieleiter, Pädagoge – aber noch mehr eigentlich vor dem Menschen Kurt Jooss, seiner gelebten Humanität, seiner Geradheit, seiner Konsequenz, seiner Bescheidenheit, seinem Umgang mit seinen Familienangehörigen, seinen Mitarbeitern, seinen Tänzern, seinen Schülern, seiner unverbrüchlichen Freundschaft auch in heiklen Situationen, seiner Unverzagtheit auch bei schweren und schwersten Schicksalsschlägen.

Am meisten haben mir aber seine unbeirrbare moralische und ethische Standfestigkeit gegenüber Nazi-Deutschland imponiert, sein weltaufgeschlossener Pazifismus und seine entschiedene Ablehnung jeglicher Art von Faschismus. So entsteht das Porträt eines Deutschen, der kein Jude war, sich aber aus Loyalität zu seinen Mitarbeitern zur Emigration entschloss, und der auch als naturalisierter Engländer nicht aufgehört hat, ein Deutscher zu sein – ein Deutscher, auf den wir stolz sein können! Patricia Stöckemann hat da eine uns bisher gar nicht recht zu Bewusstsein gekommene Lücke in der Literatur über Deutsche in der Emigration geschlossen. Dafür sind wir ihr Dank schuldig! Übrigens habe ich hier auch erfahren, dass ich Dozent an der Essener Folkwangschule war – wovon ich bisher keine Ahnung hatte!

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