"Ort. Los"

Urs Dietrichs neue Uraufführung

Bremen, 02/12/2002

„Ort. Los“ heißt die neue Choreographie von Urs Dietrich über Bindungslosigkeit und Mobilität in der Globalisierungsgesellschaft im Digitalzeitalter. Der Titel ließe sich auch als dezenter Hilferuf verstehen. Das Bremer Tanztheater könnte nämlich demnächst heimatlos werden. Seine Zukunft ist mehr als ungewiss, sollten die laufenden Verhandlungen zur Vertragsverlängerung des Intendanten scheitern: Denn Klaus Pierwoß, Kämpfer in Sachen Kunst, der dem Bremer Theater zu überregional beachtetem Profil verholfen und dem Tanz immer die Stange gehalten hat, macht sein Bleiben nach 2004 (für weitere fünf Jahre) vom Erhalt der durch Einsparen stets bedrohten Tanzsparte und dem fortlaufenden Ausgleich der Tariferhöhungen abhängig.

Das Concordia hat Dietrich in einen Durchgangsraum verwandelt. Eiskalt fegt sein hermetisches Stück durch den Nichtort. Das cool glatte Design mit Spiegeln und Bänken an der Längsseite vereint Tänzer und Zuschauer: Sie alle sitzen im selben, sich beschleunigenden Zug der Zeit. Pausenlos Stopp und Go. In Bewegungsschüben passieren die Tänzer das Publikum: Vereinzelt, in kleiner Formation, synchron in ganzer Gruppe. Begegnungen, aber keine Beziehungen. Die Körper scheinen automatisch Impulsketten zu folgen, die abbrechen und wieder neu ansetzen. Blickt einer den anderen an, wendet der sich ab. Geht weiter. Bleiben Soli in Einsamkeit, die sehnsüchtige Zwiesprache mit dem eigenen Schatten. Einmal sekundenkurze Paarungen in Sexpositionen. Grotesk freudlose Kontakte an genitaler Schnittstelle. Dann plötzliche Panik: Fliehen und Fallen im wandernden Licht.

Nur zu bekannte schlagartige Bilder, flüchtig im permanenten Bewegungsstrom. Wenig berührt, wenig bleibt wirklich haften. Ein Stück nur als Diagnose und Symptom der Zeit? Das ist vielleicht doch etwas zu wenig.

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