Ismael Ivo mit „Mapplethorpe“ im Theaterhaus Wangen

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Stuttgart, 27/09/2002

Nach „M. – wie Callas“ mit Marcia Haydée als Partnerin nun also Ismael Ivo mit seiner Soloperformance „M. – wie Mapplethorpe“ in seiner Stuttgarter Residenz, dem Theaterhaus Wangen. Ziel seiner neuesten Recherche ist Robert Mapplethorpe, New Yorks berühmt-berüchtigter Skandal-Fotograf und sein erotischer Sado-Maso-Kult, den er ebenso mit nackten männlichen Körpern, vorzugsweise schwarzer Hautfarbe, wie mit den langstieligen weißen, so ungemein sinnlichen Blumen der Calla-Familie zelebrierte.

So gleicht die von Marcel Kaskeline entworfene Bühne, wenn erst einmal die Trennwand mit dem schmalen Lichtschacht krachend zu Boden gestürzt ist, einem Calla-Dschungel, durch den sich Ivo mit der geschmeidigen Grazie seines schweißgebadeten Körpers seinen Weg bahnt. Zuerst, wahrgenommen nur als schattenhafte Silhouette mit riesigen Händen, suspendiert zwischen Himmel und Erde im „Gefängnis“ des Schachtes, dann vor einer die ganze Breite der Bühne einnehmenden Spiegelwand auf dem Boden rollend, krauchend und echsenhaft sich schlängelnd („Blumen“).

Im längsten dritten Teil schließlich, der die Musik von Steve Reichs „Pulses“ mit der in ohrbetäubender Lautstärke aus den Lautsprecherboxen dröhnenden Arie „E lucevan le stelle“ aus „Tosca“ bündelt, praktiziert er eine zeremoniöse Handlung um eine Stele, auf der ein Messer und ein hochhackiger Damenschuh als Kultobjekte fungieren („Sterblichkeit“).

Mit Tanz im herkömmlichen Sinn hat das, was Ivo da 75 Minuten lang vorführt, wenig zu tun. Es ist eher exzessives Körpertheater, zu dem auch die lodernd aus dem Mund bleckende Zunge gehört, die wie ein aufgeblasenes Gummibärchen aussieht. Aus den Fotografien Mapplethorpes ist außer den giftig-geilen Calla-Gewächsen (Ivo verspeist ein paar von ihnen wie in einem Pseudo-Abendmahl) auch das Messer übernommen, das, scharf geschliffen am Kopf vorbei geführt, jeden Moment den fatalen Schnitt aus Buñuels „Le Chien andalou“ erwarten lässt.

So kommt vieles zusammen in Ivos neuer „Mapplethorpe“-Produktion, seiner „Schwarzen Messe“ sozusagen – nur Robert Mapplethorpe selbst, den sie „Maypo“ nannten, dieser angeblich so schüchtern verlegene Junge aus braver katholischer Familie in der Bronx mit dem ungeheuren Sex-Hunger, bleibt eigentümlich ausgespart in diesem so angestrengt sexistisch sich gebenden Stück.

Vielleicht hängt es ja auch damit zusammen, dass Ivos unverhohlener Exhibitionismus so ausgesprochen narzisstische Züge trägt. Ein einziges Foto von Mapplethorpe, ob nun ein männlicher Akt oder eine geil sich über den Rand einer Vase spreizende Calla, birgt mehr erotischen Zündstoff als dieses ganze dröhnende Spektakel. Wonach man darauf gespannt ist, wem sich unsere Tanztheaterautoren mit ihrer derzeit so modischen tänzerischen Bio-Doku-Obsession zwischen Ulrike Meinhoff und Martin Heidegger demnächst zuwenden werden? Nach Marcia Haydées und Maurice Béjarts „Mutter Teresa“ vielleicht dem Dalai Lama?

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