Heinz Spoerlis „... der Sonne Leuchten ist ihr Kleid“

oe
Zürich, 06/04/2002

Vielleicht hätte Heinz Spoerli sich ja doch lieber mit den Teufeln einlassen sollen! Die Reize seines neuen abendfüllenden Zweiteilers „... Der Sonne Leuchten ist ihr Kleid“, mit dessen Titel die Engel gemeint sind, sind eher dekoraktiver Art: die (überstrapazierte) gekurvte Gleitwand Florian Ettis mit ihren Engelsklappen und die fantasievollen Kostüme (für die Damen) von Claudia Binder. Auch das Musikarrangement (John Adams, Alban Berg, Heinrich Ignaz Franz von Biber, David Lang, James Macmillan und Erkki-Sven Tüür) finde ich reizvoll und außerordentlich clever zusammengestellt, und es wird unter der Leitung des Dirigenten Christoph König, mit Linda Chuchrova als stimmmächtiger Interpretin der Berg-Lieder ausgesprochen stimmungssuggestiv musiziert.

Auch an Choreografie ist kein Mangel: die ganze, vortrefflich konditionierte Kompanie ist im Einsatz, die Solisten sind bestens bedient (die Herren noch ein bisschen besser als die Damen), der weiße Engel (Dirk Seger) und sein schwarzer Gegenspieler (Michael Rissmann) haben kapitale Solorollen, die sie glänzend bewältigen. Es wird getanzt, gehechtet, gerollt, gesprungen und akrobatisch agiert, dass einem die Augen übergehen – und geschickt spielt Spoerli die dekorativen Effekte aus, die ihm das Bühnenbild und die Kostüme (auch die Lichtgestaltung von Martin Gebhardt) liefern – wenngleich einzelne Auftritte reichlich lang und gedehnt wirken (etwa die „Passacaglia“ im zweiten Teil). Gleich die erste Szene mit dem Port des ailes der Engel (nackte Arme, die in höchster Bühnenhöhe den schwarzen Vorhang zerteilen), ist ein brillanter Bildeinfall.

Doch diese einzelnen Bilder, Szenen, Soli, Gruppen- und Corpsformationen runden sich nicht zu einem organischen Ganzen. Es gibt keine zielgerichtete Steigerung, die das ganze Stück durchzöge und die vermeintlichen Engel gewinnen keine Persönlichkeitskontur. Das wabert so vor sich hin, vorzugsweise in mystisch umnebeltem Himmelsblau, leistet sich im zweiten Teil eine kapitale revuehafte Entgleisung und verdichtet sich nirgends zu einer unverwechselbaren Identität. Schade, denn der Aufwand, besonders der Kostümaufwand ist beträchtlich. Vielleicht hätte Spoerli lieber ein Ballett über den „Aufstand der Engel“, den „Sturz der Engel“ (eventuell inspiriert durch Blakes „Bible of Hell“) – oder am besten über Satan, den gefallenen Engel, choreografieren sollen. Es hätte ja nicht unbedingt abendfüllend sein müssen. So aber schmeckt sein Ballett doch allzu sehr wie englische Limonade.

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