Juwel neoklassischen Balletts

Heinz Spoerlis „Sommernachtstraum“ in Essen

Essen, 05/11/2012

Ballettdirektor Ben Van Cauwenbergh hat sein unterhaltsames Repertoire um ein Juwel neoklassischen Balletts erweitert und seine Truppe mit einigen bemerkenswerten Tänzerinnen und Tänzern bereichert. Eine Kostprobe von Heinz Spoerlis „Sommernachtstraum“ von 1996 war auf dieser Bühne schon zu sehen, als dem Schweizer der „Deutsche Tanzpreis 2009“ verliehen wurde. Spoerli nimmt Shakespeares Komödie als ein Beispiel heutiger „Lebensabschnittpartnerschaften“. In der Austauschbarkeit der Partner sieht er „fast etwas Minimalistisches“. Konsequent ergänzt er Mendelssohn-Bartholdys Schauspielmusik, die er mit Ausschnitten aus anderen Kompositionen des Romantikers aufpolstert, durch minimalistische Musik von Steve Reich (aus „Drumming“ und „4 Sections“) und Philip Glass' Violinkonzert, das Lucja Madziar mit den bestens eingestimmten Essener Philharmonikern unter Volker Perplies betörend leicht und lyrisch spielt.

So ergibt sich ein Rahmen der Geschichte als fast abstraktes neoklassisches Ballett, deutlich abgegrenzt von der Handlung durch eisig blau-schimmernde Ganzkörpertrikots der Damen und lange Hosen der Herren, die mit nacktem Oberkörper tanzen (Kostüme: Keso Decker). Perfekt passt Hans Schavernochs edle Raumgestaltung auf die riesige Bühne. Der rechte Flügel des gläsernen Rundhorizonts lässt sich zum geraden Raumteiler nach vorn fahren. Auf den filigran wirkenden Metallleisten lauert Puck. Durch die Wände schimmern Himmel, Wald oder weiße Palastmauern − entsprechend der jeweiligen Situation.

Auf die wesentlichsten Szenen und Personen reduziert Spoerli die Komödie. Xiyuan Bai (Hermia) und Breno Bittencourt (Lysander), Yulia Tsoi (Helena) und Armen Hakobyan (Demetrius) begeistern als unglücklich-glückselige Verliebte. Die zauberhafte Barbora Kohoutková (Titania − als Gast) und der markige Sergio Torrado (Oberon) streiten verständlicherweise um Kobold Puck − natürlich eine Paraderolle für den quirligen Publikumsliebling Wataru Shimizu. Genial sind die Auftritte der Handwerker gelöst: Sie spielen und sprechen Shakespeares Texte, und das ganz famos, allen voran Jeroen Engelsman als Zettel. Das Corps de ballet zeigte sich bei der Premiere Spoerlis hohen technischen Anforderungen noch nicht ganz gewachsen. Dennoch: Wer hochkarätige zeitgenössische Ballettkunst schätzt, sollte sich diesen „Sommernachtstraum“ nicht entgehen lassen.

 

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