Eshi - Der Maler

Uraufführung in Hamburg

Hamburg, 31/10/2002

Skepsis gegenüber getanzten Konzerten erweist sich in den meisten Fällen als berechtigt. Doch die Kooperation zwischen dem Folkwang Tanzstudio aus Essen und dem Düsseldorfer Ensemble musikFabrik entpuppte sich bei der Eröffnung der NDR-Konzert-Reihe „das neue werk“ als hochprofessioneller Glücksfall. Auf dem Programm des ersten Abends im Zyklus „Der ferne Osten“ im Hamburger Rolf-Liebermann-Studio stand Akira Nishimuras Kammeroper „Eshi - der Maler“ für Sopran, sieben Tänzer, drei Streicher, Flöte, Klarinette, Klavier und Schlagwerk.

Der japanische Komponist war eigens zur Uraufführung von Henrietta Horns Choreografie aus Tokio angereist und wurde für die Mühe durch die begeisterte Reaktion des Publikums auf die musikalisch wie tänzerisch fesselnde Aufführung belohnt. Nishimura ließ sich vom traditionellen japanischen Puppenspiel Bunraku zu seinem im Jahre 1999 entstandenen Werk inspirieren. Dort übernimmt ein Sänger zu Klängen der Shamisen-Laute die Erzählerrolle und singt die Dialoge der lebensgroßen, von Spielern geführten Figuren. Der im Jahre 1953 geborene Komponist, der seine musikalischen Wurzeln gleichwohl in der alten Schule hat,übertrug jedoch einer Sopranistin die Erzählerrolle, um die Bösartigkeit des in die Tochter des Malers verliebten Despoten in höchsten Tönen und hysterischem Triumphlachen ausdrücken zu können. Er komponierte auch für westliche Instrumente und erzielt mit ihnen durch Stimmführung und Rhythmik ein verblüffend dramatisches, originelles Klangkolorit.

Mit den Musikern nehmen auch die Tänzer auf Stühlen Platz. Rechts außen auf dem traditionellen Ort des Bunraku-Erzählers postiert: die exzellente Sopranistin Sarah Leonard. Henrietta Horn verleugnet in keinem Moment die konzertante Situation, spielt sie vielmehr aus und entspinnt auf engem Raum dennoch einen dichten, sich intensiv steigernden Dialog zwischen Klang- und Tänzer-Körpern. Sie transformiert – analog zum japanischen Theater und der neu-tönerischen Komposition - die Fabel aus der Muramachi-Zeit in streng stilisierten, doch expressiven Ausdruckstanz. Aus starren Posen, durch die Musik und ihre Gefühle beseelt, wechseln die Figuren in Bewegungen, deuten in spannungsvollen Gruppierungen mit den Musikern das Drama szenisch an. Die analog zum Bunraku schwarz gekleideten „Puppenspieler“ beschränken sich nicht auf Heben und Stützen der drei Figuren Francesco Pedone (Shogun) Manuel Quero (Maler Yoshihide) und Mu-Yi Kuo als vergewaltigte und verbrannte Tochter. Sie agieren auch als deren Beschützer oder sie doppelnde Schatten, vermitteln deren Absichten, Gedanken und Gefühle, übernehmen Umbauten durch Verstellen der Stühle.

Und wie der geradezu akrobatisch fallende Gabrio Gabrielli stellen sie auch zuweilen konkrete Rollen dar, hier den gepeinigten Lehrling des Meisters, der leiden muss, um den Künstler für sein Höllenbild zu inspirieren. Wie der brutale Mythos aus Japans Mittelalter soll es die Welt als Hölle zeigen, in der die Menschen nach nichts anderem trachten, als einander die Hölle zu bereiten.

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