„TANK“ von und mit Doris Uhlich

„TANK“ von und mit Doris Uhlich

„I want to stink again“

Uraufführung von Doris Uhlichs „Tank“ im tanzhaus nrw

Im Rahmen des Festivals „Hi Robot - Das Mensch Maschine Festival“ lotet Doris Uhlich ihren Körper als technologisierbares Experimentierfeld aus und wird doch immer wieder zurückgeworfen auf seine Biologie.

Düsseldorf, 15/03/2019

Ein Tank, gefüllt mit dichtem Nebel; auf einem kleinen Podest stehend mit vier schrägen Rampen an den Seiten, erinnert er irgendwie an eine Rakete. Es könnte aber auch ein Reagenzglas sein oder eines der in naturkundlichen Museen heute oft in die hinteren Ecken verbannten Präparate. Dass es hier irgendwie um Fremdes geht, um Untersuchung, Beobachtung und Distanz und gleichzeitig um eine neugierig-kribbelige Nähe, ist bei diesen Assoziationen relativ rasch klar. Wo genau das alles hinführt, bleibt dagegen noch ziemlich offen, wenn aus dem dichten Nebel langsam einzelne Körperteile auftauchen. Diese Verknüpfung klarer Bilder, die auf naturwissenschaftliche Experimente genauso abzielen wie auf bekannte Topoi der Science Fiction, mit einem diffusen Etwas, das einfach nicht so ganz dazu passen möchte, macht Doris Uhlichs Soloperformance „TANK“, die im Rahmen des „Hi Robot - Das Mensch Maschine Festival“ am tanzhaus nrw ihre deutsche Erstaufführung erlebte, aus.

„Körper 2.0“ ist das Thema, die Frage „Was macht einen technologisch optimierten Körper zu einem lustvollen Körper, der zufrieden, gar glücklich ist?“ laut Programmzettel die leitende Idee. Bis auf konventionelle Nebelmaschinen und ein bisschen verzerrte Soundtechnik verzichtet Uhlich in ihrer Auseinandersetzung mit digitaler Technologisierung konsequent auf den Einsatz von Technologie. Das mag überraschen. Doch genau damit schafft Uhlich es, sich den vielschichtigen ethischen, philosophischen und gesellschaftspolitischen Fragen, die die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre aufwerfen, in all ihrer Essenz zu stellen. Denn keine neue Maschine, keine neue Virtual Reality, keine neue Künstliche Intelligenz lenkt die Zuschauenden ab von den Grundfragen des Menschseins, die Uhlich in ihrem nackten Körper sammelt, spiegelt und verhandelt.

Langsam presst sich eine Hand an die durchsichtige Wand des Tanks, dann ein Bein, ein Rücken, ein Gesäß - Teile eines menschlichen Körpers, eines ganz alltäglichen Frauenkörpers, fragmentiert und durch den Tank auf Distanz gehalten, bieten sie sich dem Blick der Zuschauenden an. Haare klatschen gegen die Wand, machen ihn nicht mehr nur sicht-, sondern auch hörbar. Dazu immer kräftiger werdende Beats (Sound: Boris Kopeinig). Aber er bleibt noch auf Distanz, bleibt Beobachtungs- und Forschungsobjekt. Es irritiert, dass nicht ganz klar ist, ob sich dieser im lichtenden Nebel immer sichtbarer werdende Körper in seinem Gefäß wohl fühlt, oder ob er nicht ausbrechen möchte aus dieser engen Begrenzung, die seine Bewegungen beschränkt. Aber ziemlich emotionslos bleibt er im Zustand reiner Physikalität, präsentiert sich ganz selbstverständlich als Objekt des Experimentierens.

Doch je mehr Zeit vergeht, je konzentrierter und damit auch anstrengender seine Bewegungen werden, desto mehr verliert er seinen Objektstatus. Denn er fängt an zu schwitzen, zu atmen und Druckstellen zu bekommen. Dieser Körper lebt, er ist den gleichen biologischen Bedingungen unterworfen, wie der aller Anwesenden, die vielleicht husten müssen, denen der Rücken schmerzt, die müde sind oder Hunger haben. Er ist nicht reine Physik, er ist Biologie - er ist Leben. Er kann erschöpft sein, er kann fit sein, er wird müde und ist wach, er schwitzt, er ist verletzlich und er kann stinken. „I want to stink again“ ist dann auch einer der ersten Sätze aus dem Text (Doris Uhlich, Boris Kopeinig), der sich nach und nach unter die Beats mischt, der Schlagworte und Slogans aus der Technologie aufzählt, der aber auch davon erzählt, wie schön es sein kann, seinen Körper zu spüren, ihn zu riechen, ihn in seiner natürlichen Veränderung wahrzunehmen. „Re-combine my DNA, this body isn't here to stay“ - was brauchen wir, um unsere Körper zu technologisierten Objekten zu machen, was verlieren wir, wenn wir ihnen ihre Vergänglichkeit nehmen?

Doris Uhlich wirft wie schon oft ihren Körper ins Spielfeld gesellschaftlicher Diskurse, schafft es, in ihm Repräsentation, Kritik, Nähe und Distanz gleichermaßen zu spiegeln. Mit Humor und größter Selbstverständlichkeit führt sie hin zu den existentiellen Fragen menschlichen Daseins und dessen Platz in einer zunehmend digitalisierten und technologisierten Welt. Und sie gibt keine Antworten, was ihr angesichts einer zunehmend polarisierenden Diskussionskultur hoch anzurechnen ist.
 

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