„I am a mistake“ von und mit Anthony Rizzi

„Bad Boy“ in seinem Element

Anthony Rizzi mit „I am a mistake“ im Jubiläumsprogramm des UnterwegsTheaters

Die Zukunft ist für Heidelbergs Tanztheater keineswegs in trockenen Tüchern. Was soll’s … Bernhard Fauser und Jai Gonzales machen einfach weiter wie bisher. Und feiern ihr 30jähriges Überleben mit einem ambitionierten, hoch aktuellen Programm.

Heidelberg, 04/06/2018

Jubiläen sind da, um gefeiert zu werden – insbesondere, wenn nicht nur auf eine imponierende runde Jahreszahl, sondern auch auf einen veritablen Überlebenskampf zurückgeschaut werden kann. Auch die Zukunft ist für Heidelbergs kleines, feines, professionelles Tanztheater keineswegs in trockenen Tüchern, zumindest in finanzieller Hinsicht. Was soll’s … Bernhard Fauser und Jai Gonzales, die „Macher“ des UnterwegsTheaters, machen einfach weiter wie bisher. Und feiern ihr 30jähriges Überleben mit einem ambitionierten und hoch aktuellen Programm.

Den Auftakt machte Anthony Rizzi – der Ex-Forsythe-Tänzer und enge Vertraute von Jan Fabre spielt seit langem ganz vorne in der internationalen Performance-Liga mit, und das UnterwegsTheater hat ihn schon mehrfach präsentiert. Leichte Kost sind seine Darbietungen nur an der Oberfläche, denn da, wo andere Hemmungen haben, scheint der selbst ernannte „Bad Boy“ Anthony Rizzi ein Loch zu haben – ein großes. Er saugt sozusagen mit diebischer Freude das leichte Unbehagen des Publikums in sich auf, wenn er mal wieder über die Stränge des guten Geschmacks und der gesellschaftlichen Konvention schlägt – frech und zielsicher, aber nie bösartig. Übliche Scham – vorrangig im sexuellen Kontext – ist ihm offensichtlich fremd. Diese Eigenschaft teilt er mit Jan Fabre, dessen Text aus den 80er Jahren „I am a mistake“ ihm als Ausgangspunkt für das gleichnamige Solostück diente.

Ja, man kann aus vielerlei Gründen eine Fehlkonstruktion sein, und Rizzi alias Fabre scheint sie alle zu kennen. Für Rizzi-Kenner bot er dieses Mal einen ungewohnten Ausflug ins Showbiz: Mit Anzug (Schlips) und Stepptanz, was das Zeug hielt und der Jazz vom Band hergab. Wer hätte dem zugegebenermaßen wandelbaren Künstler eine kleine Verwandtschaft mit Fred Astaire zutrauen oder zumuten wollen? Damit es dem Publikum freilich nicht zu wohl wurde, hatte Rizzi die Bühne mit Aschenbechern gepflastert, rauchte schon mal mehrere Zigaretten gleichzeitig und ließ darüber hinaus die Glimmstängel auch alleine weiterglimmen – nicht ohne sich geflissentlich über die Gesetzgebung lustig zu machen, die Rauch auf der Bühne (in Ausübung künstlerischer Tätigkeit) erlaubt, im Zuschauerraum dagegen unter Strafe stellt. Der Zigarettennebel hielt sich natürlich nicht an die juristische Grenze; vorsorglich waren die Zuschauer mit Atemmasken ausgestattet worden. Das Publikum nahm’s mit dem gebotenen Humor.

Die Tour de Force der Selbstanklage stellte natürlich im Gegenzug die diversen Anklagepunkte selbst infrage – frech, gescheit und unterhaltsam.

 

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