Zehn Jahre UnterwegsTheater in der Hebelhalle Heidelberg
Zehn Jahre UnterwegsTheater in der Hebelhalle Heidelberg

Tanz zurück in die Zukunft

Zehn Jahre UnterwegsTheater in der Hebelhalle machen Lust auf mehr

„im-perfektion“ zum Jubiläum: Seit dreißig Jahren sind Jai Gonzales und Bernhard Fauser ein prägender Faktor des Heidelberger Kulturlebens und haben seitdem viele wechselnde Räume bespielt - vor zehn Jahren entdeckten sie dann die Hebelhalle.

Heidelberg, 27/10/2019

„... Wer im Kopf umräumt, dessen Schreibtisch muss feststehen“, dichtete einst Reiner Kunze, der Meister sensiblen Sprachgebrauchs. Die Forderung lässt sich nahtlos auf kreative Theaterarbeit übertragen: Jai Gonzales und Bernhard Fauser, die Macher des UnterwegsTheaters, räumen mit verblüffender Regelmäßigkeit im Kopf um, aber ihr Arbeitsraum war alles andere als konstant. Seit dreißig Jahren sind sie ein prägender Faktor des Heidelberger Kulturlebens und haben in dieser Zeit viele wechselnde Räume – von der Pro-B-Bühne am Bahnhof über den Zwinger und die Klingenteichhalle bis zum Alten Hallenbad – bespielt. Jedes Mal sind sie mit viel Hoffnung ein- und mit viel Enttäuschung wieder ausgezogen.

So war es ein verdienter Glücksfall, dass vor zehn Jahren die leerstehende Industriehalle unweit des Bahnhofs entdeckt und dem UnterwegsTheater zur Verfügung gestellt wurde. Die Stadt hat den Umbau der Hebelhalle in die vielleicht beste Location für die Präsentation von zeitgenössischem Tanz in Baden-Württemberg großzügig unterstützt, und das UnterwegsTheater hat sich mit hochkarätigem Tanzprogramm revanchiert – seien es die Eigenproduktionen mit Kultpotenzial, seien es anspruchsvolle internationale Gastspiele.

Es versteht sich von selbst, dass auch das Jubiläumsfest eine durchchoreografiertes Programm mit diversen Highlights bot. Unter dem Titel „im-perfektion“ gestalteten MusikerInnen und TänzerInnen, die zum bewähren UnterwegsTheater-Team gehörten, ein fließendes Programm, das die unterschiedlichsten musikalischen Genres elegant mixte und den TänzerInnen die Aufgabe zuwies, den Bühnenraum unter innerer Spannung zu halten. Cornelia Winter (Sopran), Franz Witzthum (Countertenor und Katharina Olivia Band (Orgel, Klavier) spannten den musikalischen Bogen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Von den Ausnahme-TänzerInnen, die Jai Gonzales mit schöner Regelmäßigkeit um sich schart, waren der griechische Hüne Stavros Apostolatos, die russische Tänzerin Sada Mamedova und der Ex-Forsythe-Tänzer Amancio González gekommen.

Viel Raum für Improvisation bleibt in den Choreografien von Jai Gonzales, aber nichts dem Zufall überlassen. Wie die Tänzer sich in spiralförmigen Bewegungen förmlich in den eigenen Körper hineinwinden und dann wieder den Raum in Besitz nehmen, daran kann man sich auch nach vielen Jahren nicht sattsehen. Und wenn ein Bühnen-Profi wie Amancio González eine kleine Bewegung macht, ist die große Wirkung vorprogrammiert. Hinter der Pianisten stehend, braucht er nur seine Manschetten ein wenig zurückzuschieben und die Hände vorsichtig in Position zu bringen, schon sieht man ihn als imaginären Mitspieler...

In ungewohnter Rolle war Ex-Stadträtin Dr. Annette Trabold (FDP) zu erleben. Sie, die so oft im Gemeinderat für das UnterwegsTheater gefochten hat, demonstrierte einen veritablen Fechtkampf mit ihrer Sportpartnerin Prof. Waltraud Weidenbusch.

Am Ende war es die Aufgabe von Kulturbürgermeister Dr. Joachim Gerner, das zehnjährige Jubiläum der Hebelhalle offiziell zu würdigen. Er erinnerte an die Aufbruchsstimmung im Gemeinderat, die damals für eine Ausrufung von Heidelberg als „Tanzstadt“ sorgte. Mit dem Wieder-Erstarken der Tanzsparte am Heidelberger Theater konnte die bundesweit einmalige Kooperation von Stadttheater und dem professionellen Tanztheater in der freien Szene gelingen, mit staunenswerten Ergebnissen: Seit mehr als fünf Jahren gibt es mit dem Choreografischen Centrum eine international wie regional beachtete Produktionsstätte für zeitgenössischen Tanz – und die „Tanzbiennale“ mit Aufführungen im Stadttheater wie in der Hebelhalle wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.

Als kleiner Wermutstropfen bleibt zu vermerken, dass von der turnusmäßig im Winter 2020 wieder anstehenden Tanzbiennale bislang nichts zu hören oder zu lesen ist.
 

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