„Writing Dancing“ von Ismo-Pekka Heinkinheimo. Tanz: Tanja Illuka und Max Ryynänen

„Writing Dancing“ von Ismo-Pekka Heinkinheimo. Tanz: Tanja Illuka und Max Ryynänen

Der Philosoph und die Tänzerin

„Writing Dancing“ von Ismo-Pekka Heinkinheimo beim Off-Europa-Festival im Leipziger Lofft

Dieses Duett ist ein hinreißender Exkurs über Körper und Geist, Sprache und Bewegung.

Leipzig, 22/09/2016

Eine Tänzerin, die tanzt. Und ein Philosoph, der dazu philosophiert: Es klang bedrohlich nach Kopfgeburt, was da am Dienstag zum Off-Europa-Festival im Lofft auf dem Programm stand. Doch entpuppte sich „Writing Dancing“ der Ismo Dance Company (Choreografie: Ismo-Pekka Heinkinheimo) schnell als hinreißender Exkurs über Körper und Geist, Sprache und Bewegung, Descartes Denken und Prosperos Blicke.

Doch erst einmal sind da Tanja Illuka, die junge Tänzerin, und Max Ryynänen, der nicht mehr ganz so junge Philosoph, die, während das Publikum den Saal betritt, etwas machen, was man tatsächlich am besten als ‚Sohle übers Parkett schieben’ bezeichnen kann. Ein langsames Tänzchen, ohne Musik und ganz beiläufig, als ein Sammeln und aufeinander Einschwingen. Wenn Ruhe eingekehrt ist, das Publikum sitzt, setzt sich auch Ryyänen. An einen Laptop, der auf dem Bühnenboden steht und in den er ein Wort tippt, das für eine ganze Weile das einzige bleibt: „Sensibility“ ist da auf der Projektionswand zu lesen. Ein Begriff, der den Wesenskern dieser Performance bestens fixiert.

Denn was sich zwischen Illuka und Ryyänen entspinnt, ist nichts Geringeres als der Dialog zweier unterschiedlicher Artikulationsformen, zweier verschiedener Sprachen, die aber nichtsdestotrotz im Stadium eines Verstehens und Einvernehmens operieren. Und dabei erst einmal jene Fragen umkreisen, die diese Konstellation aufwirft: Ob und wie das geht, mit dem Körper zu denken. Und wie das ist, wenn die Gedanken tanzen.

Dass nun der Körpertanz der Auslöser des Gedankentanzes ist, ist hier durchaus als bewusst hierarchische Satzung manifestiert. Illukas Darbietung ist der Inspirationsquell, dabei von jener kontrollierten Vehemenz, die nicht mehr beweisen muss, was an Kraft, Technik, Ausdrucksvielfalt in ihr steckt. Da sind die Figurationen von seltenem Abwechslungsreichtum und werden zugleich immer wieder Bewegungsmotive klug in Wiederholungen und Variablen aufgegriffen. Und natürlich ist das nicht nur bannend, sondern auch Stimulans für gedankliche Assoziationen, die bei Ryyänen dann auch bald in die Tastatur fluten.

Da wird erst einmal Descartes abgewatscht, der bei seinen berühmten Meditationen vorm warmen Ofen, ja eher das Denken als den Körper als Seinsbeweis favorisierte, oder mit der Psychoanalytikerin und Feministin Luce Irigaray eine Morphologie des weiblichen Körpers gestreift. Nur gerät das nie verquast, verliert sich nie in steriler Abstraktion, weil Ryyänen seine Gedankensprünge eben immer wieder auch Traumtanz - das heißt: poetisches Bild - werden lässt: Ein Prospero sei er, der einem Ariel zuschaue. Und nein: sieht man wiederum „Writing Dancing“ ist dieser Vergleich keiner, der zu hoch greift.
 

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