Tanz-Kino zum Eindösen

Uraufführung von „There where we were“: Neo-Tanztheater von Déjà Donné zum Finale der „Tanzwerkstatt Europa“

München, 09/08/2003

Molliges Pianoleid, Trompetenlamento und derlei nervöse Jazztristesse gibt den Ton in „There where we were“ an. Der Soundtrack von Bruno de Franceschi und Mirio Cosottini erinnert nicht umsonst an Kinofilme gerade französischer Provenienz. Die nehmen sich als Stoff auch gerne Beziehungskisten vor, insbesondere die implodierende Dreierliaison. Déjà Donné, das tschechisch-italienische Choreografenpaar Lenka Flory und Simone Sandroni, gibt sich bei dieser Uraufführung, die die diesjährige „Tanzwerkstatt Europa“ nun in München abschloss, ganz als Autorenfilmer. Ihr Stück: Neo-Tanztheater, wie man es aus früheren Produktionen kennt, diesmal als narratives Tanz-Kino. Konsequent reduziert ein herabgelassener Vorhang das Blickfeld auf Breitwand-Format. Traumtrunken schlafwandeln nacheinander zwei Frauen und ein Mann herein, die auf dem kleinen weißen Bühnenviereck noch einmal ihren rabiaten Beziehungsclinch erleben. Zuckende Körperkonvulsionen und rudernde Arme verbreiten im fahlen Licht, das Vincent Longuemare meist indirekt oder senkrecht von oben schickt, eine nervöse, angespannte Atmosphäre.

Ganz ohne Requisiten, allein in stetigen Duos und einem finalen Trio erzählen die Drei den vorhersehbaren Verlauf ihrer Beziehung, wobei stets eine(r) von außen zuguckt. Emotionsgetränkte Bewegungen, die (zu) viel sagen, platzen schier aus den in sich gekehrten Tänzern. Sandroni wirbelt Masako Noguchi an einem Arm ziehend über den Boden, um sie schließlich am Hals zu würgen. Immer wieder will das pantomimische Gestenspiel choreografischer Verismus sein, gerät aber bloß ermüdend überdeutlich. Spannender da die Auseinandersetzung der beiden Frauen, Noguchi und Teodora Popova, die sich umschlingen, dem anderen Körper Impulse geben wie einer Puppe, doch dabei jeden Freiraum nehmen, sich fast ersticken. Ein paar solcher Bilder, wenige starke Momente bleiben hängen. Das Ende war derweil eh schon am Anfang klar, die Story ohne Überraschungen, die Dramaturgie sogar ohne Nuancen und Fallhöhe.

So verbreitet sich nichts als impressionistische Gefühlsduselei, die schwurbelt wie der Text im Programmzettel und eindöst, statt aus dem Sessel zu reißen. Ein überspanntes Stück wie ein nüchterner, hyperrealer Alptraum in Schwarz-Weiß, den man am nächsten Morgen doch wieder vergessen hat. Von Wim Vandekeybus, in dessen Kompagnie „Ultima Vez“ sich einst die Wege von Flory and Sandroni kreuzten, haben die Beiden choreografisch manches mitgenommen, zudem auch das Faible fürs Filmische. Leider aber nicht seine Rotzigkeit und irgendwo poetische Durchgeknalltheit. „There where we were“, da waren wir halt auch schon tausend Mal. Aber vielleicht heißt ihre Gruppe ja deshalb Déjà Donné.

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