„This is Complex“ von und mit Edan Gorlicki / De-Da Productions

„This is Complex“ von und mit Edan Gorlicki / De-Da Productions

Menschlich verbunden

Tanz beim Heidelberger Karlstorbahnhof

Edan Gorlicki tanzt wandlungsreich in „THIS IS COMPLEX“ und baut dabei auf ein offenes Publikum. Wie fragil Beziehungen geknüpft sind – menschliche, sprachliche, körperliche und künstliche – zeigt der Choreograf in seiner Interaktion mit dem Publikum.

Heidelberg, 24/07/2025

Es sei keine Performance, die er zeige, erklärt Edan Gorlicki seinem Heidelberger Publikum. Es gehe ihm vielmehr um „practice“, wie er auf Englisch erklärt. Damit eröffnet der Tänzer gleich zu Beginn seine choreografische Methode, die mit dem Begriff der „Übung“ auf das Trainieren derselben zielt. Da passt der Titel „THIS IS COMPLEX“ gut, denn er schützt vor Festschreibungen und verweist auf ein mehrschichtiges Vorhaben. Dafür hat Gorlicki die Bühne im Vordergrund mit einer kleinen Leinwand und im Hintergrund mit einer fragilen Skulptur aus unzähligen ineinander verhakten weißen Drahtkleiderbügeln bestückt. Wer die Arbeitsweise des Choreografen kennt, weiß, dass er Stücke nicht für den passiven Genuss und zum Zurücklehnen schafft. Nicht umsonst nennt Gorlicki seinen in Heidelberg ansässigen Verbund aus Künstlerinnen und Künstlern Inter-Actions – more than a dance company. Aus der Interaktion und im demokratischen Zusammenspiel entstehen die Ideen zu seinen Stücken. Dafür tauscht er sich immer wieder aus mit seinem Team und mit allen an Bewegung Interessierten aus der Rhein-Neckar-Region. In regelmäßigen Treffen wird getanzt und mit Hilfe von Fragestellungen zum Thema geübt. 

Im Dialog mit der KI

Gorlicki ruft in „THIS IS COMPLEX“ eine KI mit Namen „Jasmin“ als weitere Mitspielerin auf. Ihre humorvollen und zugleich abgründigen Einwürfe werden auf der Leinwand als Text verzeichnet: „Klarheit ist das Letzte, woran Sie festhalten und das sie loslassen müssen.“ Hier ist also Offenheit gefragt. Während der Choreograf Zettel austeilt, ist jeder, der will, aufgefordert, den Begriff auf seinem Papier in das Mikro vor der Bühne zu sprechen: Realist, Ehemann, Opfer von Terrorakten, Fleischesser, Emigrant und viele weitere Merkmale, die man einer Person zuordnen kann, werden im Raum hörbar. Dazu übersetzt Gorlicki jeden Begriff in eine tänzerische Form. Aneinandergefügt ergeben sie einen grandios expressiven Tanz voller Präzision jeder einzelnen Gestalt. 

Hier wird der Choreograf zum eindrucksvollen Tänzer und auch die KI weiß das zu kommentieren: „Erkenne, dass alles mit allem verbunden ist.“, zitiert sie den multidisziplinären Künstler Leonardo da Vinci. Derweil finden sich neue Begriffe auf Zetteln unter jedem Sitz, die das Publikum bereitwillig verliest: „Rechter Fuß, schnell, ins Detail, stark, chaotisch…“ Gorlicki reiht auch hier, trotz der überfordernden Begriffsflut, erfindungsreich Bewegungen aneinander, bis er einbricht und sich doch weiter transformiert. Jetzt ist er ein aggressives kläffendes Wesen, bereit zum Angriff, und dann gewandelt in ein heulendes, weinendes tief verletztes Menschlein. Und auch die KI ist aus der Spur gelaufen, lässt ein Stimmengewirr hören, dass den Text auf sein pures Zeichen zurückwirft. Erschrecken, erstaunen und stark berühren kann einen die perspektivreiche „Übung“ von Gorlicki, die er mit einem letzten, großartigen audio-visuellen Eindruck abschließt: Während der Tänzer die fragile Skulptur aus Kleiderbügeln betritt und ihre Verbindungen beim Auseinanderfallen als brüchige deutlich werden lässt, singt der Musiker Asaf Avidan vom Band „This is it“. Wer das Praxisformat „This is Complex“ gemeinsam mit Gorlicki üben will, kann dies Ende Juli nochmals tun.

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