„Nutcracker. Now“ von Curtis & Co. – dance affairs und EveryBody

Täglich grüßt der Weihnachtsmann

„Nutcracker. Now“ von Curtis & Co. – dance affairs und EveryBody in der Nürnberger Tafelhalle

Der Pas de deux von Károly Tóth und Stella Covi gehört zu einem jener Momente , in dem man im fast ausverkauften Haus eine Stecknadel hätte fallen hören können.

Nürnberg, 13/12/2025

E.T.A. Hoffmann, dessen Geburtstag sich im Januar zum 250. Mal jährt, hat mit seiner Weihnachtserzählung „Nussknacker und Mausekönig“ die Vorlage für zahlreiche Adaptionen geschaffen. Allen voran das allseits beliebte Märchen-Ballett „Der Nussknacker“ zur unvergesslichen Musik von Tschaikowsky, das Choreografen von George Balanchine über John Neumeier bis Edward Clug zu eigenen Kreationen inspiriert hat. 

Nun hat die in Nürnberg lebende englische Tänzerin und Choreografin Susanna Curtis in der Tafelhalle eine weitere sehr schöne, freie, spielerische Version hinzugefügt, bei der sie selbst mitwirkt und die noch lange nachhallt: „Nutcracker. Now“, eine Zusammenarbeit von Curtis & Co – dance affairs mit dem ebenfalls von ihr ins Leben gerufenen inklusiven Tanzprojekt EveryBody. Als Motto könnte ein Satz dienen, der spät in der abendfüllenden Inszenierung fällt: „Ich träumte, alle sprechen meine Sprache.“ 

Welche Sprache? Es ist die Sprache des Tanzes, die uns allen zur Verfügung steht und uns alle miteinander verbindet. Vielleicht am Eindrücklichsten kam das in einem Pas de deux zum Ausdruck, das der auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesene Károly Tóth gemeinsam mit Stella Covi zu einem jener Momente machte, in dem man im fast ausverkauften Haus eine Stecknadel hätte fallen hören können. Da umkreisen sich der ungarische Tänzer und die italienische Bewegungskünstlerin, bis die Anziehung so stark geworden ist, dass Covi in den Armen des zerbrechlich wirkenden Tóth liegt, um sich dann auf die Sitzfläche seines Rollstuhls zu stellen und gemeinsam mit ihm scheinbar schwerelos durch den Raum zu gleiten.

Glücklich, als gäbe es kein Morgen

Susanna Curtis hat sich lose bei der Ballettvorlage bedient und ihr „Es war einmal“-Märchen ins „Nutcracker Land“ verlegt. Dort leben alle glücklich als gäbe es kein Morgen. Der Himmel ist immer blau, der Schnee immer weiß, und es ist: Immer Weihnachten! Die Konfitürenburg ist hier eine von Johanna Deffner errichtete weiße Kissenburg. Die Seitenkulissen bestehen aus zusammengeknüpften Kissen, überall auf der Bühne liegen Kissen verstreut, und das ganz in Weiß gekleidete siebenköpfige Ensemble hält Kissen in den Händen. Zum beschwingten Blumenwalzer spielen sie übermütig damit, legen sie sich auf den Kopf oder wirbeln sie herum wie Vogelflügel. Dann dienen ihre Bezüge als Servietten, man schmaust festlich und wünscht sich „Happy Christmas“. Schließlich schlägt die Standuhr, und alles beginnt wieder von vorne. Und täglich grüßt der Weihnachtsmann.

Nichts scheint die flauschig-fluffige Atmosphäre zu stören. Sorglos setzt man sich in Anspielung an das Ballett-Divertissement mit seinen chinesischen, russischen und arabischen Tänzen gegenseitig Bambushut, Pelzmütze und Turban auf. Wirft sich lachend in die Kissen, die Gebärdensprache der gehörlosen Performerin Laura Polster wirkt wie ein beschwingter Tanz, und selbst die Kissenschlacht atmet Heiterkeit. Auf einmal aber kippt die Stimmung. Die Scheinwerfer beginnen zu flackern, und Tschaikowskys Musik dröhnt bedrohlich verfremdet aus den Boxen. Eine Art Invasion ist im Gang. Das Ensemble, zu dem noch Jan Pollert, Emmanuelle Rizzo und Jürgen Heimüller gehören, stopft sich Kissen unter die Kleidung und erinnert nun an das Heer des Mäusekönigs. Die Seitenkulissen werden eingerissen, alle Kissen verschwinden, die Bühne ist ein leerer, schwarzer Raum. Schlaraffenland ist abgebrannt ...

Bis Károly Tóth Walnüsse auf den Boden wirft, die er mit seinem Rollstuhl knackt. Im wahrsten Sinne des Wortes bricht etwas auf, und wieder verändert sich die Stimmung. Alle tragen jetzt bunte Kleidung und erinnern sich an ihre eigene Kindheit. An das gemeinsame Backen mit der Mutter oder an die erste „Nussknacker“-Aufführung, bei der die entzückende Klara-Darstellerin einen einst so beeindruckt hat. Curtis will „Nutcracker. Now“ als Tanzmärchen für „moderne Menschen“ verstanden wissen, die sich noch beziehungsweise immer wieder von der Magie der Musik, des Tanzes und der Weihnacht verzaubern lassen können. Und deshalb muss zum Schluss natürlich leise der Schnee rieseln. Also, die Daunenfüllung der Kissen.
 

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