„Die Moderne geht baden - Von Nixen, Nymphen und Najaden“ im Chemnitzer Stadtbad von Sabrina Sadowska: Benjamin Kirkman

Kein stilles Wasser

Das Chemnitzer Ballett lädt ins Stadtbad zu „Die Moderne geht baden“ - Von Nixen, Nymphen und Najaden“

Ab ins Wasser! Der 90. Geburtstag, Verweise auf mystische Frauenfiguren und ganz viel Tanz lassen das Stadtbad in Chemnitz zu einem wahren Musentempel werden. Die Architektur der späten 1920er tut ihr übriges dazu.

Chemnitz, 03/02/2025

Sabrina Sadowska ist dieser Abend ganz offenbar eine Herzensangelegenheit. Bereits vor zehn Jahren hatte sie das Stadtbad von Chemnitz mit der Ballettcompany bespielt, und jetzt, zum 90. Geburtstag des Hauses, zieht es sie und ihre Tänzer*innen wieder in diesen Architekturtempel der neuen Sachlichkeit. Geplant in den 1920er Jahren, kam es aber erst 1935 zur Fertigstellung, doch Ballettdirektorin Sadowska umschifft diese Problematik, in dem sie einen Großteil des Programms einfach an den Roaring Twenties und nicht an den braunen 1930ern ausrichtet.

„Von Nixen, Nymphen und Najaden“ hat sie diese site specific performance getauft, die unter dem Obertitel „Die Moderne geht baden“ firmiert, angereichert mit mythischen Verweisen auf dunkle weibliche Sagenwesen, deren Geschichten selten gut ausgehen (zumindest für die Männer). Sadowska, die als Moderatorin nicht nur zur Premiere am 1. Februar durch die drei Stationen des Abends mit seinen insgesamt 13 Nummern führt, verweist in diesem Zusammenhang auf die archaischen matriarchalen Strukturen im Mittelmeerraum, die durch die patriarchalen Sagen um Götter und Helden zwar überschrieben, aber eben doch nicht ganz ausgelöscht wurden.

Roaring Twenties und hintergründige Nixen

Doch zunächst steht die große Feier der 1920er an. Im Eingangssaal mit seinen beiden großen Treppen feiert das Ballett in sechs energiegeladenen Show-Nummern das Leben. Tango, Charleston und immer wieder Instrumentalnummern der Comedian Harmonists sorgen für einen flotten Empfang, die das Corps des Ballett mal von einer ganz anderen Seite zeigt (auch wenn sie ihre Tango-Seite gerade erst bei der Eröffnung der Kulturhautstadt präsentieren durften), auch wenn hier und da klassische Elemente nicht fehlen dürfen. Ebenso wie die Hebefiguren, welche die 20 Tänzer*innen, hier immer tadellos ausführen, ganz gleich welche Musik gespielt und welcher Stil gefragt ist.

Ein bunter Start, der dann nach einer Pause und einem Ortswechsel in den Wintergarten, eine kleine Halle vor der Schwimmhalle in eine dunklere Stimmung führt, in der nun die Nixen, Nymphen und Najaden das Sagen haben. Die Musik wird zunächst klassischer. Anna-Maria Maas und Kirill Kornivol liefern zu Charles Valentin Alkans „Receuil de Chants, Op 65, Barcarolle“ ein feines Pas de Deux, bei dem er sie als Höhepunkt tragend zur Schwimmerin im Apricot-Kleid werden lässt. Den Höhepunkt dieses Teils liefern im Anschluss Livia Pinheiro und David Janik, die sich ganz dem Nymphenthema annehmen, das hier musikalisch durch Franz Liszt „Loreley“ gesetzt wird. Pinheiro ist ganz die wartende Schönheit, während Pinheiro raumgreifend den Saal bespielt. Doch dann mit buchstäblich ein paar Handbewegungen greift sie ein, lockt und verführt, um den armen Jungen dann schließlich in den Fluten untergehen zu lassen. Eine kleine Nummer von hoher Intensität und tänzerisch-spielerischem Detailreichtum, zumal in unmittelbarer Nähe zum Publikum, das den Tanzenden hier deutlich näher kommt als auf der Opernbühne.

Säulenheilige und Wasserspaß

Zum Abschluss wird es wilder: Valerie Gambino, Emily Grieshaber und Anna Solovei liefern eine an ein Ritual erinnernde Gruppenchoreografie zu dunklen Trommeln, und am Ende darf das gesamte Corps de Ballett noch einmal zum Swing aufspielen, bevor es dann zum großen Finale in die Schwimmhalle geht. Schon der Raum mit seinen Säulen und der Galerie, auf der das Publikum Platz nimmt ist in der nächtlichen Illumination beeindruckend, zumal sich an der glatten Wasseroberfläche der 50-Meter-Bahn zunächst alles doppelt abzeichnet. Hier geht es nun um die Sirenen, jene Verführerinnen, die an den Gestaden des Mittelmeers die Seemänner von ihrem Weg abbringen. Zu Dvovraks „Ode an den Mond“ treten sie auf, diese Verführerinnen, ganz klassisch in glänzenden kurzen Kostümen erkunden sie vor der Kulisse einer großen Uhr den Beckenrand und verweilen an den Längsseiten als Statuen. Auftritt der Männer zu Debussys „Nocturnes Nrº 3 Sirènes“.

Mit nacktem Oberkörper und in einer Art dunklem, nach vorne offenen Rock markieren sie zunächst Posen der Männlichkeit, bauen Pyramiden mit sich selbst, um dann sogleich die Frauen mit ins Spiel zu bringen. Am Beckenrand zunächst, bis dann eine Auserwählte, wie bei einem „Sacre“ hocherhoben getragen wird. Durchaus rund und beeindruckend, zumal es nur einen Probentag gab, um es vor Ort zu probieren.

Der Schluss ist dann wieder große Party. Drei Tänzerinnen nehmen mit Meerjungfrauschwänzen Platz auf den Startblöcken zwischen lauter aufblasbaren Schwimmenten, und von der anderen Seite nähern sich vier Ensemblemitglieder in großen Plastikbällen, in denen sie springend und laufend versuchen übers Wasser zu kommen. Ein bunter Spaß und ein gelungener Abend, der sich aus Tanz und Kulisse gleichermaßen speist, die hier in wunderschöner Symbiose miteinander verschmelzen.

 

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