„Die kleine Meerjungfrau“ von John Neumeier, Tanz: Xue Lin (Die kleine Meerjungfrau)

„Die kleine Meerjungfrau“ von John Neumeier, Tanz: Xue Lin (Die kleine Meerjungfrau)

Gelungener Auftakt

„Die kleine Meerjungfrau“ und „Erste Schritte“ eröffnen die 50. Hamburger Ballett-Tage

Schon die ersten beiden Vorstellungen zeigen, dass das Hamburg Ballett alles andere als beschädigt ist

Hamburg, 09/07/2025

Es sei nachgerade ein „Theaterwunder“ gewesen, dass John Neumeiers 2007 entstandene „Die kleine Meerjungfrau“ in gerade mal 18 Tagen neu einstudiert werden konnte, sagte der stellvertretende Ballettintendant Lloyd Riggins bei der Premierenfeier am Sonntagabend. Es sei „eine außergewöhnliche Lösung für eine außergewöhnliche Situation“ gewesen, denn am 10. Juni, also nicht einmal drei Wochen vor Beginn der Ballett-Tage, wurde der Arbeitsvertrag mit Demis Volpi als Intendant des Ensembles aufgelöst. Da war klar: Es musste Ersatz gefunden werden für Volpis „Surrogate Cities“, die eigentlich am Anfang vom Ende der Spielzeit gestanden hätten. Und das sehr schnell. 

Was also tun? Die Interims-Führungsriege aus Lloyd Riggins, Gigi Hyatt (Stellvertretende Leiterin der Schule des Hamburg Ballett) und Betriebsdirektor Nicolas Hartmann setzte kurzerhand John Neumeiers Fassung des berühmten Märchens von Hans Christian Andersen auf den Spielplan. Seit sieben Jahren nicht mehr gezeigt, musste es von Grund auf neu einstudiert werden. 

Und so grenzte es tatsächlich an ein kleines Wunder, dass dann am 6. Juli eine höchst gelungene Premiere stand, bei der sich das gesamte Ensemble, von den Ersten Solist*innen bis zu den jüngsten Aspirant*innen selbst übertroffen hat. Allen voran die Erste Solistin Xue Lin in der Hauptrolle, die die Liebe und die Verzweiflung dieses ebenso entschlossenen wie verletzlichen Märchenwesens perfekt verkörperte und voller Hingabe in Bewegung umsetzte. Selten sah man sie so beseelt tanzen. Nicht minder begeisternd, bezwingend dämonisch und mit virtuoser Sprungkraft erfüllte Louis Musin seinen Part als Meerhexer; Matias Oberlin gab dem Prinzen eine schlaksig-jugendliche Lässigkeit. 

Aber auch alle anderen, die gesamte Kompanie, tanzten mit so viel Verve, mit so viel wilder Energie und Entschlossenheit, aber auch so viel Zärtlichkeit und Behutsamkeit, wo immer es das Stück erforderte. Das war keine angeschlagene Kompanie – im Gegenteil, sie bewies mit diesem Abend, und es sollten alle sich gut merken: Wir lieben, was wir tun, wir stehen zusammen, und wir geben alles für diese Qualität, diesen einzigartigen Hamburger Spirit! Wer immer geglaubt hatte, mit dem Verlust des Intendanten sei diese Kompanie am Boden oder gar beschädigt, wurde hier eines Besseren belehrt. Und das Publikum feierte die gesamte Kompanie am Schluss mit Standing Ovations. 

Simon Hewett am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters war genauso inspiriert und spornte die Musiker*innen zu Höchstleistungen an – noch nie hat man die schwierige Komposition Lera Auerbachs so eindrucksvoll gespielt gehört. 

Vielversprechender Nachwuchs

Durchaus gelungen auch der zweite Abend der Ballett-Tage: Mit „Erste Schritte“ stellte die Ballettschule des Hamburg Ballett ihr hohes Niveau ein weiteres Mal augenfällig unter Beweis. Ob gleich zu Beginn bei „Wir danken!“ zu Ausschnitten aus Bizets Sinfonie in C-Dur, wo die Ausbildungsklassen I-VI und die Theaterklassen VII und VIII ihr Können zeigten, oder bei der von den Vorschulklassen A, B und C gewitzt und mit viel Humor präsentierten „Hin- und Rückfahrt“ (Choreografie: Konstantin Tselikov) – die darin enthaltenen anspruchsvollen Arrangements wurden mit so viel Akkuratesse und Fröhlichkeit getanzt, dass es eine Wonne war zuzuschauen. 

Bei einem Pas de Trois aus „Paquita“ und ebenso beim Pas de Quatre aus dem Ballett „Das bucklige Pferdchen“, brillierten dann Schüler*innen der Ausbildungsklassen III und VI. Hier sah man die Früchte der Arbeit von Anna Polikarpova, die die Choreografie von Marius Petipa adaptiert, aber keineswegs weniger anspruchsvoll gestaltete. Und ihre Schüler*innen meisterten alle Schwierigkeiten mit Bravour. Den größten Jubel im Publikum heimste Stacy Denhams „Heimat“ ein, ein modernes, pfiffiges und ansprechendes Stück für die Theaterklassen VII und VIII, das diese mit großer Begeisterung auf die Bühne brachten. 

Auch alle anderen Stücke des Abends waren von allen Beteiligten sehr gut getanzt. Das Niveau dieser Schule ist seit Jahren sehr hoch und kann sich mit den Schulen der anderen großen Ballettkompanien der Welt durchaus messen. Hier wachsen neue Generationen von Tänzer*innen heran, die zu schönsten Hoffnungen Anlass geben. 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern