„Blutkörper“ von René Haustein und bodytalk

Weh tun soll‘s

„Blutkörper“ von René Haustein und bodytalk in Münster

Ohne Leidenschaft ist das Theater nichts. Für die bluttriefende Show im Pumpenhaus gilt das aber auch andersrum. Dabei sieht sich der Performer Haustein gar nicht in der Tradition des Mysterien-Theaters à la Hermann Nitsch.

Münster, 25/04/2025

Welch ein Glück, dass das Pumpenhaus in Münster einen roten Vorhang sein Eigen nennt. Plakativer kann man sich einen Bühnenraum schließlich kaum wünschen, wenn sich alles um den roten Saft des Lebens dreht. Für den in Bottrop ansässigen Performance-Künstler René Haustein ist Blut nur Vehikel für seine Botschaft. In der Koproduktion mit bodytalk peitscht er sich selbst, vier Tänzerinnen und Tänzer und, selbstredend, das Publikum durch die aufwühlenden Tiefen eines inneren Drangs, der den unbedingten Ausdruck will. Da wird niemand geschont. Und ja, die roten Flüssigkeiten auf der Bühne sind nicht nur Theaterblut.

„Das Pumpenhaus ist leergepumpt. Die anderen Theater auch.“ Nur der Kopf Hausteins lugt zwischen den Vorhängen hindurch, irrwitzig, ganz oben, kurz über dem Schnürboden. Von Kopflosigkeit und amputiertem Gehirn spricht dieser Kopf. Da haben sich zuvor die Tänzer*innen schon in einer Slo-Mo-Scharade unter donnernden Sounds feiern lassen und in imaginärem Applaus gesuhlt. Und das alles in strahlendweißen Kostümen. Schön wär’s. Schön aber will René Haustein offenbar gar nicht. 

Was als Seitenhieb gegen die aktuelle finanzielle Lage in der Kultur verstanden werden darf, ist gleichzeitig auch als Metapher für die Kunst gemeint: Bis zum letzten Tropfen muss sich der Künstler für die Kunst selbst ausquetschen. Und natürlich ausquetschen lassen. Erst dann kann Kunst Kunst werden. Oder? Haustein fragt auch: „Wie soll man ohne Blut ein Blutbild erstellen?“ Und er weiß: „Da wo Geld fließt, fließt auch Blut.“ Das Theater ist für ihn der Ort, an dem wir bluten müssen. Die Doppelbödigkeit dieser Äußerungen ist clever. 

Provokation ohne Schock

Um dieses Ideal der Kunst zu erreichen, braucht es, wie kann es anders sein, natürlich Übersteigerung bis hin zur Ekstase. Das schließt Grausamkeiten nicht aus. Was muss, das muss. Entsprechend gehen die Bewegungen der Tänzer*innen schnell ins Extreme. Ganz vordergründig geht der künstlerische Ausdruck binnen kurzer Zeit nahtlos über in reine körperliche Gewalt. Hier werden Gewaltexzesse mit Butterfly-Messern genüsslich zelebriert, dass man gar nicht anders kann, als an die legendären Mysterien-Spiele des österreichischen Aktionskünstlers Hermann Nitsch zu denken. Haustein aber ist so reflektiert, das Publikum wissen zu lassen, dass er selbst sich eher nicht so in dessen Tradition sieht. Beuys, Schlingensief. Die schon eher. Duchamp, auch Immendorf. Eine Schweinemaske ist deshalb ironischer Kommentar auf das Ausbleiben des Schlachtens eines echten Schweins. Dem schwachen Gemüt wird der Magen blümerant; dem Intellekt schlägt das Hirn Funken.

Dieses sprichwörtliche Blutbad ist aber keine Aktion, die schocken will, provozieren schon eher. Hier stülpt sich die Kunst von innen nach außen und zeigt, was sie ausmacht: Sie schafft es, Emotionen zu evozieren, während die Sinne gespannt sind und das Gehirn auf Hochtouren läuft. Während alle im Saal „eigentlich nur“ auf einem Stuhl sitzen. Illusionen. So singt es auch Hildegard Knef in einer der Szenen: „Illusionen / sich belohnen / Ohne Zweck und ohne Sinn, / Nur nicht denken, sich verschenken, / Denn wer weiß, wer weiß, / Wo ich schon morgen bin.“ Nur das Blut, das ist keine Illusion.

 

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