„Frauen ~ Bewegung“ von Bodytalk

„Frauen ~ Bewegung“ von Bodytalk

Auf der Suche nach der Frau

„Frauen ~ Bewegung“ von Bodytalk hat am Pumpenhaus Münster Premiere und fragt nach der Situation von (Tanz-)Frauen heute

Münster, 10/12/2013

Es ist ein im Grunde universelles Thema: die Frau in ihrer Zeit. Zusammen mit drei Männern und vier Frauen haben sich Yoshiko Waki und Rolf Baumgart auf die Suche gemacht um in „Frauen ~ Bewegung“ am Pumpenhaus Münster eine Antwort auf die Frage zu finden, was denn heute eine Frau ausmacht. Keine einfache Suche wie Waki im Gespräch feststellt: „Das einzige, was uns verbindet ist der Tampon.“

Dieser findet seinen Weg ins Bühnenbild von Marina Schutte, das eher schlicht daher kommt. Hinter der Musikerin Anna Lindblom, ihren Instrumenten und der Loopmaschine, steht ein weiß angemalter Baum, an dem Massen von Tampons baumeln. Am Ende wird er als Amok-Waffe dienen. Auf der rechten Seite der Bühne ist ein Teil mit Goldfolie und Gaze verhängt, und vorne links steht eine angedeutete Bar, an dem sich im Lauf des Abends vor allem die Männer tummeln werden.

Bereits zu Beginn wird klar, dass es an diesem Abend nicht um das Abtanzen feministischer Positionen geht, sondern sehr viel persönlicher um Frauen, Männer und ihr jeweiliges Leben. Helge Tramsen, ein Schauspieler, der zunächst die Rolle des Moderators übernimmt, verkündet dem Publikum, dass 100 Euro der Gage, einem der Tänzer als Bonus gegeben werden soll und die Zuschauer sollen entscheiden, wem. Daraufhin prasseln die großen und kleinen Zukunftsträume der Tänzer auf die Menge ein: Heimflug in die USA, Startgeld für Solo-Karriere oder Start-Up-Unternehmen. Das ist oft überzeichnet, aber stellt klar: ein wir gibt es nicht. Die Vereinzelung des Menschen ist auch hier das Schicksal. Nach einem kleinen tänzerischen Exkurs zu Vera Skoronel, der in der These endet, Tanz sei immer männlich (ihr Werk war die Ausgangsidee für diesen Bodytalk-Abend) geht die Compagnie langsam in die Vollen. Aus Röcken werden Tanz-Burkas, nur die Brüste sind freigelegt, doch die scheinbare Differenz zwischen Männern und Frauen bricht augenblicklich zusammen, wenn zwei Tänzerinnen zwei Tänzern auf die Schulter springen und dann als halbnackter Hermaphrodith ihre Kreise ziehen. Alles bleibt ambivalent, gerade im Tanz.

Eine kurze Pause trennt Männer und Frauen, es gibt getrennte Vorträge zur Männerhilfe Oldenburg, die bundesweit einzigartig eine Wohnung für Männer mit Problemen in der Beziehung betreibt. Im 21. Jahrhundert verschwinden klare Opfer-Täter Strukturen offenbar. Strukturelle Gewalt richtet sich auch auf der Bühne gegen alle: Da ist Nathalie Larquet, die mit ihrer Gertenpeitsche, Männer wie beim Voltigieren über die Bühne treibt, aber auch Victoria Primus, deren Rede von der größeren Stärke der Frau in einer veritablen Sado-Maso-Nummer endet oder eine Szene zwischen Charlie Fouchier und Sylvana Seddig, die sich aus einer Hochzeitsnummer in den Kampf mit einer riesigen Rinderleber entwickelt, das es nur so spritzt.

Dabei setzen Waki und Baumgart auf eine klar akzentuierte und bisweilen aggressive Körpersprache. Die Körper klatschen aneinander und auf den Boden, was zu einem schnellen Umschlagen von emotionalen Bildern führt: aus der absoluten Ruhe und Harmonie kann es in wenigen Schritten zur maximalen Konfrontation geht, die dann zerdehnt wird, bis der Aufbau in einer allgemeinen Erschöpfung endet, aus dem aber der neue Angriff bereits startet. Ein neues Frauenbild des 21. Jahrhunderts ist darin nicht auszumachen, wohl aber der emotionale Ballast, den Künstlerinnen in Bezug auf ihre Zukunftsplanung mit sich herumtragen, den die 28-jährige Seddig in einem starken Monolog etwa so beschreibt: erstmal Karriere, dann Festengagement, dann Kind, ALG I und folgender Gründerzuschuss zum Wiedereinstieg in den Tanz. Das Gegenmodell präsentiert Victoria Primus: Heirate einen reichen Mann, der dir deine Compagnie finanziert. Neoliberalität essen Seele auf.

Ein starker Abend, der Antworten verweigert, sondern konkrete Fragen ans Heute stellt und dies nicht expressiv verbis sondern mit den Mitteln des schonungslosen Tanzes, der den Phrasen schonungslose Realitäten entgegensetzt. Dagegen erscheint Alice Schwarzers Emma als Schongang.
 

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