Abschluss einer Ära
Mit den Hamburger Ballett-Tagen endet die Intendanz John Neumeiers
Vor zwei Jahren wurde er zum ersten Mal vergeben, damals an Edvin Revazov: der mit insgesamt 50.000 Euro dotierte John-Neumeier-Preis für Choreografie, gestiftet von der Hapag-Lloyd-Stiftung Hamburg. Die Hälfte der Summe ist für den Preisträger selbst, die andere Hälfte soll für eine neue Kreation für das Bundesjugendballett verwendet werden. Jetzt wurde der US-amerikanische Tänzer und Choreograf Silas Farley (31) damit ausgezeichnet.
Es sei sehr selten, dass man einen Choreografen durch Texte und nicht durch den Tanz kennenlerne, sagte John Neumeier, einziger Juror für diesen nach ihm benannten Preis, anlässlich der Verleihung nach der Aufführung von „Shall we dance?“ am 19. Juni im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater. Er sei über tanzwissenschaftliche und -historische Artikel von Silas Farley auf ihn aufmerksam geworden. Erst danach habe er gemerkt, dass er auch als Choreograf arbeite und sich dann Arbeiten von ihm angesehen, zum Beispiel „Four Loves“ beim Houston Ballet.
Farley habe durchaus einen „klassischen Hintergrund, aber eine andere Art, die Tradition von Balanchine“ zu verarbeiten, betonte Neumeier. Er schaffe beeindruckende lebendige Gemälde und strahle so viel Hingabe, Freude und Liebe für den Tanz aus, weshalb er ihm diesen Preis zuerkannt habe.
Entwicklung einer eigenen Stimme
„Mit Silas Farley wird ein junger, visionärer Choreograf ausgezeichnet, der durch seine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Tradition des klassischen Balletts sowie seine innovativen Ansätze bereits eine eigene Stimme entwickelt hat und dessen künstlerische Weiterentwicklung wir mit großem Interesse verfolgen werden“, meinte Michael Behrendt, Vorsitzender des Vorstands der Hapag-Lloyd-Stiftung.
Silas Farley wurde an der School of American Ballet ausgebildet und 2012 Mitglied des New York City Ballet. Schon früh begann er, auch choreografisch zu arbeiten, u.a. für das American Ballet Theatre, das New York Choreographic Institute und das Washington Ballet. 2022 schuf er „Architects of Time“ für das NYC Ballet, inspiriert von einem Gedicht George Balanchines für Igor Strawinsky. Derzeit ist er „Armstrong Artist in Residence“ am Ballet der Meadows School of the Arts der Southern Methodist University in Dallas.
Silas Farley ist außerdem Initiator und Gastgeber des New York City Ballet- Podcasts „Hear the Dance“, Mitglied im Vorstand der George Balanchine Foundation sowie – als einer der ersten afro-amerikanischen Mitglieder des New York City Ballet – Diversity-Berater der Kompanie sowie der School of American Ballet.
Silas Farley selbst bedankte sich mit einem kleinen Text, den er charmant auf Deutsch vortrug, für die ihm zuerkannte Ehre und meinte zum Schluss: „Um es in Anlehnung an ein Zitat von Auguste Bournonville zu sagen: Es ist mir eine Ehre, mit John Neumeier ein Glied in derselben Kette der Schönheit zu sein.“ Man darf gespannt sein, was Silas Farley jetzt für das Bundesjugendballett kreieren wird.
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