„III Bach getanzt“, Midori Seiler, Juan Kruz Díaz de Garaio Esnaola

Nicht wirklich geglückt

„III Bach getanzt“ für Violine solo und zwei Tänzer im kleinen Saal der Elbphilharmonie

Die Geigerin Midori Seiler kombiniert die drei Bach-Sonaten mit dem Tanz von Juan Kruz Díaz de Garaio Esnaola und Martí Corbera, was in dieser Kombination leider nicht kongenial zusammenwirkt.

Hamburg, 13/01/2024

Die drei schwierigen und vieldeutigen Violin-Sonaten von Johann Sebastian Bach von zwei Tänzern begleiten zu lassen und damit die Dimension der Musik zu erweitern um den Aspekt des Tanzes – diese Idee erscheint durchaus reizvoll. Noch dazu, wenn eine der Besten im Barockfach zur Geige greift: Midori Seiler, geb. 1969, Deutsch-Japanerin, gefeierte Spezialistin für die historische Aufführungspraxis und weltweit gefragte Künstlerin. Und wenn zwei ausgemachte Profis sich der tänzerischen Kreation annehmen: Da ist zum einen der 57-jährige Juan Kruz Díaz de Garaio Esnaola, ausgebildeter Countertenor, der erst spät zum Tanz kam, dann aber lange mit Sasha Waltz gearbeitet und selbst choreografiert hat. Ihm zur Seite Martí Corbera, gut 30 Jahre jünger, mit Wurzeln im Flamenco und zeitgenössischen Tanz. 

Der Kleine Saal der Elbphilharmonie mit seiner intimen Atmosphäre und den 3D-gefrästen wellenförmigen Eichenholz-Paneelen, die für eine wunderbare Akustik sorgen, scheint dafür ein idealer Rahmen. Wenn, ja, wenn da nicht das Handicap wäre, dass der Tanz sich häufig auf dem Boden der kleinen Bühne abspielt, man aber höchstens aus der ersten Reihe oder von ganz oben diesen Bühnenboden überhaupt wahrnehmen kann (schon zu Beginn wird etwas – man kann es nur ahnen – mit Kreide auf den Boden gemalt, dessen Bedeutung für die allermeisten jedoch verborgen bleibt). Wenn da nicht eine Choreografie wäre, die so gar nicht mit dem Geigenspiel korrespondieren will. Und wenn da nicht zwei ausgerechnet dann, wenn der Tanz die Hauptrolle spielt, bis auf Boxershorts entkleidete Männerkörper wären, die in ermüdender Bewegungsredundanz, die stark an die Bewegungssprache von Sasha Waltz erinnert, über die Bühne huschen. Über derlei Ästhetik kann man durchaus geteilter Meinung sein. 

Resümiert man den ganzen, fast anderthalbstündigen Abend, stellt sich die Frage, ob man diese Bach-Sonaten wirklich mit Tanz kombinieren soll. Denn der ganze Zauber, der sich im Raum entfaltet, wenn Midori Seiler mit dem Barockbogen über die Saiten ihrer Guarneri-Geige von 1680 streicht und diese einen raumfüllenden Klang verströmt, dass einem der Atem stockt, dieser Zauber wird schlagartig zunichte gemacht, wenn die beiden Männer sich dazu gesellen, sich immer wieder geräuschvoll fallen lassen und dadurch die Musik plump stören, wenn sie springen, rutschen und die langen Stoffbahnen ihrer Kostüme durch die Luft wehen lassen. Da stellt sich ein eigenartiges Störgefühl ein, und ständig möchte man sagen: Pssst, seid doch mal ruhig, setzt Euch hin, hört einfach mal zu. Lauscht dem betörenden Klang, den dieses Meisterwerk von einer Geige unter den Händen dieser zarten Persönlichkeit hervorbringt. Hört auf diese berührende, gewollte Brüchigkeit, spürt dem verschwebenden Pianissimo nach und lasst Euch wegtragen von den Tönen, von denen man sich immer wieder fragt, wie ein Mensch sie je hat komponieren können. Und so ist dieser Abend immer dann am schönsten, wenn man die Augen schließt und sich dem Klang hingibt. Oder wenn ganz zum Schluss die Tänzer sich auf dem Boden zusammengekauert haben und Midori Seiler beim letzten Satz der 3. Sonate ganz allein, in sich versunken über die Bühne geht, eins geworden mit ihrem Instrument und der Musik, die sie ihm entlockt. 

Natürlich haben die Tänzer ein beachtliches Potential, natürlich ist die Choreografie für sich genommen nicht unspannend, nur: sie geht unter in diesem Saal, sie wird nicht gut genug erkennbar auf der kleinen Bühne. Und sie harmoniert nicht wirklich mit dieser fragilen, oft ätherischen Musik, die schon allein für sich genommen alle Aufmerksamkeit beansprucht. Wenn die Tänzer Midori Seiler immer wieder anheben und wegtragen, sie absetzen und wieder aufnehmen und weitertragen, und sie dabei bewundernswerterweise weiterspielt, als sei nichts – das ist natürlich staunenswert. Oder wenn sie sich in weit ausholenden Bewegungen über die Bühne schwingen, in diesen so ästhetischen Kostümen des japanischen Designers Tomoaki Okaniwa, das ist natürlich schön anzuschauen. Ebenso die raffinierten Schattenspiele, die die von den Tänzern immer wieder neu positionierten Scheinwerfer auf das Eichenholz projizieren. Und natürlich ist es ein dramaturgischer Kniff, wenn gerade in der dritten Sonate alle drei sich weitgehend entkleiden und in Unterwäsche tanzen und spielen – korrespondierend zu der Nacktheit der Musik, die sich klanglich förmlich aller Spielereien entblößt. Nur: Es passt alles nicht so wirklich zueinander. Es ergibt einfach keine Harmonie. Schade. 

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