Company Chameleon: „Umbra“

Company Chameleon: „Umbra“

Chemnitz tanzt, in luftigen Höhen, auf Straßen und Plätzen, auf hartem Asphalt

Das neunte Festival „TANZ | MODERNE | TANZ“ ist eröffnet

Chemnitz wird zur Tanzstadt. Bis zum 24. Juni wird in gut 50 Veranstaltungen getanzt. Der Start stellt auch das neue Tanzzentrum im Europark vor, das zur Kulturhauptstadt 2025 eröffnet werden soll.

Chemnitz, 16/06/2023

Es war unbedingt nötig für Chemnitz, dieser Stadt der Moderne, auch dem modernen, dem zeitgenössischen Tanz, in unterschiedlichsten Formaten, Räume und Chancen zu geben. Vor nunmehr neun Jahren begründete Festivalleiterin und Ballettdirektorin der Theater Chemnitz, Sabrina Sadowska, dieses Festival. Die aktuelle Ausgabe wurde gerade eröffnet. Bis zum 24. Juni wird in gut 50 Veranstaltungen getanzt, bevor das Festival, am 25. Juni auf dem Schillerplatz, bei einem Picknick mit Tanz ausklingt. Aktuell, unübersehbar, das Jahr 2025 rückt näher: Chemnitz ist dann Europäische Kulturhauptstadt. Da spielt natürlich die Kontinuität dieses Festivals eine besondere Rolle, denn hier findet der Tanz an außergewöhnlichen Orten statt. Auf Straßen, Plätzen, in Kirchen, Einkaufszentren: Der Tanz kommt zu den Menschen, nimmt sie mit.

Davon war die Eröffnung bestimmt. Der Ort, zunächst eher ungewöhnlich, die Formate des Tanzes und der Kommunikation mit dem Publikum eher ungewöhnlich, und vor allem auch die Vorstellung eines besonderen Projektes im Hinblick auf das Jahr 2025. Dann soll in der Europäischen Kulturhauptstadt, im Industriekomplex EUROPARK, ein großes „soziokulturelles TANZZENTRUM“ für Jung und Alt, für Profis und Amateure, für die ganze Stadtgesellschaft, als Ort der Bewegung und Begegnung eröffnet werden. Das wurde zur Festivaleröffnung von Sabrina Sadowska vorgestellt.Und was da bereits in Arbeit ist, das könnte wahrhaft ein ganz besonderer Raum künstlerischer Kommunikation in den vielen Varianten des Tanzes für die Stadtgesellschaft und deren Gäste sein.

Ein Investor ist gefunden. Architektonische Fragen lassen sich klären, wenn es darum geht die typische, bauliche Säulengestaltung - entsprechend dem Denkmalsschutz - so zu gestalten, daß große Tanzräume entstehen können. Dieses soziokulturrelle Tanzzentrum soll offen sein für alle: Jung, Alt, Profis, Amateure, es soll inklusiv sein, kein Ausschluss. Ein Zentrum für Choreografie wird es geben, auch in Kooperation mit dem Masterstudiengang Choreografie der Dresdner Hochschule für Tanz. Das Zentrum bietet Raum für Residenzen. Ein Schwerpunkt wird die intensivere Vernetzung von Tanz und Bildung sein, auch von Tanz und Sport, die Kooperationsbande mit der Technischen Universität Chemnitz sind geknüpft. Und weil ja im nächsten Jahr der Breakdance zur olympischen Disziplin erhoben wird wird es dafür auch spezielle Räume und Formate geben. Ganz wesentlich auch für die Ausstrahlung dieses Zentrums, die soziale, psychische, therapeutische Bedeutung des Tanzes in der Vielfalt nonverbaler Kommunikation.

Und nach dieser Eröffnung bereits recht realer Zukunftsvisionen für den Tanz in Chemnitz, begab sich zur Eröffnung des Festivals die französische Tänzerin Isabelle Pinon, auch bekannt als Vertikalartistin, im Hof der Industrieanlage in tänzerisch, schwebende Höhe. Auch als Beispiel einer Festivalvariante, die Verbindung von Tanz und Artistik, Tanz und Zirkus, über den Zusehenden im Hof der Industrieanlage. Sie bewegt sich leicht und tänzerisch bei schönstem Sonnenschein weit über den Köpfen der begeisterten Zusehenden. Da war der Andrang groß, als die Möglichkeit geboten war, selbst in der Höhe zu schweben. Und schon zeigten sich Talente, das Alter spielt keine Rolle.

Darauf eine weitere Verbindung von Sport und Tanz mit dem Performer Xuan Lee und seiner PartnerinShihya Peng aus Frankreich. Xuan Lee tanzt auf Rollschuhen, grandiose Pirouetten, da stockt der Atem. Dann, mit der Partnerin, die er in beinahe klassischen Hebungen schweben lässt, gibt es einen berührenden Dialog der Nähe, der Entfernung, des Suchens und Findens, dazu beindruckender Sound fernöstlicher, meditativer Klangflächen.

Und wieder ins Freie, Gäste aus Großbritannien, die Company Chameleon, mit „Umbra“ - was so etwas wie Schatten bedeutet…eine Tänzerin, zwei Tänzer. Die Schatten aber, die dieser Tanz wirft, besser hinterlässt, sind hart, schmerzhaft. Getanzt wird schonungslos auf hartem Asphalt. Es ist der Tanz der Straße, ungeschützt, im Gegeneinander, im Miteinander, einsam, im Kampf mit allen Härten der Durchsetzung. Nicht zu übersehen, die beiden Tänzer*innen, schwarz und weiß, da werden ungelöste Probleme ausgetragen, letztlich aber nicht ausgeräumt. Die Tänzerin zwischen den Fronten. Tanz, hier ganz existenziell, schonungslos, Augenblicke tiefer Berührung und Verunsicherung. Ein starker Akzent dieses Festivals.

Zum Abschluss des ersten Tages, dann eine Show der beliebten sächsischen Braekdancekompanie The Saxons, wie zu erwarten, ein Fest, nicht nur für die Fans. Das geht hier immer, Breakdance zum Mitklatschen. Zum Glück aber ein beeindruckender Gast, Bboy STIX aus Nürnberg, seit der Erkrankung an Kinderlähmung im Rollstuhl, kraft des Tanzes aber, auf Krücken, dann doch mit faszinierenden Höhepunkten tanzender Bewegungsvarianten. STIX gehört auch zur Gruppe der Akrobaten des weltberühmten Cirque de Soleil.

Diese Höhepunkte der Eröffnung sind dann im Verlauf des Festivals auch an weiteren Orten der Stadt zu erleben. Weitere Gruppen aus Frankreich, Israel, den Niederlanden und aus Deutschland kommen dazu, wie aus Leipzig die Sebastian Weber Company: Stepdance vom Feinsten. Tänzerische Stadterkundungen werden angeboten, auch ein reiches Workshopangebot.

Nicht zu vergessen, die Festivalformate des Balletts der Städtischen Theater. Die Junioren zeigen im Ballettsaal mit „Home“ das choreografische Debüt von Yaron Shamir in Chemnitz. Unter dem Motto, „Made in Chemnitz“, haben Chemnitzer Tänzerinnen und Tänzer zwei Choreografien für das Festival kreiert: „Verweile doch!“ mit der Choreografin Anne Le Batard und „The bus will arrive in ten minutes“ mit Tali Zavilevich und einem kreativen Team aus Israel. Diese Beiträge sind speziell für den öffentlichen Raum gemacht, folglich wird am Hauptbahnhof, in der Galerie und an der Haltestelle Roter Turm, sowie im Stadthallenpark getanzt.

Und diese Formate könnten ja auch besondere „Nebeneffekte“ haben. Etwa in dem Sinne, dass mögliche Begeisterung Neugier weckt, und somit das Bedürfnis, diese Tänzerinnen und Tänzer dann doch auch mal so „richtig“ auf der Bühne, im „Ballett“ zu erleben.

Chemnitz tanzt, und das ist gut so!

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