„mind the rage“ von go plastic company

Wut in Körpern

go plastic company zeigen im Leipziger Lofft „mind the rage“ als performative Installation zu Wut

Gefühlsumbrüche, die sich in den Körpern materialisieren: Ansteckungsgefahr!

Leipzig, 06/11/2022

Hereinspaziert zur großen Wut-Schau! Bereits vor dem Start von „Mind the Rage“ der go plastic company eröffnet sich das Foyer des Leipziger Loffts aus Ausstellungsraum, in dem knallbunte Toi-Toys-Exponate aus Schaumstoff von Alexandra Börner, Videoarbeiten vom Benjamin Schindler, der lyrische Essay „Wutblase“ von Johanna Roggan und Interviewausschnitte mit Beteiligten zu begutachten sind. Denn dieser Tanzabend ist kein Tanzabend, sondern eine performative Installation, und auch die später folgenden Tanzminiaturen, dargeboten von Inês Carijo, Cindy Hammer, Suzette Sagisi und Esther Schachenmayr in den verschiedenen Räumen des Lofft, verstehen sich selbst als Exponate.

So beginnt der Abend denn auch – sobald alle Besucher*innen in die Schuhüberzieher geschlüpft sind – mit einer kleinen Führung. Zunächst übertrieben ekstatisch, dann nach einem Personalwechsel eher unmotiviert passiv-aggressiv und schließlich freundlich professionell geht es durch die Toi Toys, große Schaumstoffbälge in knallbunten, grellen Designs, die gerne auch als Sitzelemente benutzt werden können. Die Ausstattung stammt von Alexandra Börner, welche die Tänzerinnen in eine Art weiße transparente Maleranzüge gesteckt hat, darunter bunt schimmernde futuristisch anmutende Oberteile und weiße Turnschuhe. In den Saal hat sie zudem eine sich bewegende Fetzenskulptur aus weißen Tüchern gehängt. Außerdem gibt es noch die goldglänzende Meerjungfrau im Foyer (Michaela Jarosch), die gestressten Gästen mit Saft aushilft.

Die Grundanlage ist denkbar einfach, meist passieren im leeren Saal (mit weiteren Toi-Toys), wo eine abgegrenzte schimmernde Bühnenfläche mit farbwechselnden Lichtröhren eingerichtet ist, und im Foyer immer zwei Aktionen gleichzeitig. Diese sind meist aufgeteilt in ein Solo und eine Trio-Aktivität bis alle vier dann wieder zusammengeführt werden, um sich erneut in die nächsten Kapitel zu teilen. Alles mitzubekommen, ist unmöglich. Tänzerisch dominiert ein bisweilen roboterartig wirkender Tanzstil, der auf abgehakte Bewegungen und schnelle Wechsel setzt. Die schnell einsetzende Emotion trifft dies gut; mal sind die Tänzerinnen auf dem Boden unterwegs, mal flüstern sie verschwörerisch den umstehenden Gästen etwas zu oder tanzen, während ihre Oberkörper mit großen grauen Schaumstoffteilen umwickelt sind. So gibt es eine Szene, in der Esther Schachenmayer von ihren drei Mitstreiterinnen mit den zuvor herumliegenden Toi-Toys beworfen und beschwert wird.

Nicolas Fehr und Benjamin Schindler haben für diesen Abend einen Soundtrack geschaffen, der zumeist mit elektronischen Beats die Stimmung grundiert und das Ganze mal in ekstatischen Techno oder ruhige Momente mit Wellengeräuschen und Vogelgezwitscher überführt. Das Publikum wird so Zeuge verschiedener tänzerischer Erregungszustände und bleibt bis zum Finale in ständiger Bewegung, um den einzelnen Tanzszenen drinnen und draußen zu folgen. Ob diese jetzt aber zielgenau Wut adressieren, das bleibt eher vage, ebenso der Punkt der Wut als politische Strategie, die zwar szenisch angerissen aber nicht vertieft wird. Schlussendlich sind es vor allem Gefühlsumbrüche, die sich in den Körpern materialisieren, aber der spezifische Wutfaktor überträgt sich in dieser ansonsten außerordentlich geglückten Performance nur, wenn man genau ihn erwartet. Hier übertrumpft das Ausstellungsprinzip des Panoramas klar die dramaturgische Stringenz.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge