Partytime
„Glitz“ von Sebastian Weber am Lofft in Leipzig
Silbern glänzt die Bühnenrückwand im Leipziger Lofft, während Nitzan Moshe vorne Schutt und Pflastersteine zu einem ansehnlich Haufen zusammenkippt. Derweil müht sich Yotam Peled, die aus der hintersten Ecke Mikrofon samt Ständer und Kabel herbeischafft, um dann dann nach langen Minuten endlich mit der Eröffnungsrede zum Abend zu beginnen. Doch leider kommt da nichts. Ein wenig Gestammel, ein paar Worte: „Maybe ... or ...“ Nein, das gesprochene Wort führt direkt ins geistige Nirvana, die Zeremonie, die hier starten sollte, ist peinlich geplatzt und versandet im Nichts. Da ergreift Moshe die Initiative und ein kleines Fähnchen, mit dem sie beginnt, über die Bühne zu kreiseln. Dazu summt sie ein Lied, und der konsternierte Peled stimmt freudig ein, und schon bald kurven beide summend und vollkommen synchron in sportiv wirkenden Bewegungen und Kostümen von Maryna Ianina, wie man sie etwa bei olympischen Eröffnungsfeiern vermutet, über die graue Bühne.
Zwischen Feierfreude und Geschichtsmelancholie
Dieses manisch-depressive Wechselspiel strukturiert „One Strike Salvation“ der Company Free Radicals, das unter anderem vom Lofft Leipzig und der Fabrik Postdam zusammen koproduziert wurde. Da begräbt Yotam Peled ihren Tänzerkollegen unter dem Schuttberg, schön akustisch verstärkt durch ein liegendes Mikrofon, und feuert alsbald eine Konfettikanone ab. Oder beide wetteifern in einer Art Kontaktimprovisation um einen silbernen Stein und üben sich dabei in seltsamen Heldenposen, die an Denkmäler erinnern lassen, aber dann doch nicht wirklich solche sind. Denn wo sah man schon einen Helden in Brückenposition, dem eine Heldin eine Hand auf die Brust legt? Eben. Und diese düsteren Phasen sind lang. Peled und Moshe zerdehnen geradezu die Zeit, lassen sich voll ein auf den melancholischen Schmerz, den sie hier ergründen und durch ihre Körper fließen lassen. Bloß um im Anschluss wieder mit Wimpeln und Konfettikanonen und irgendwann sogar auf einem silbernen Teppich durch die Lande zu ziehen.
Hinzu kommen wunderschöne kleine Gimmicks, wenn etwa mit einer Taschenlampe ein Schattenspiel erzeugt wird oder auf der silbernen Rückwand wie aus dem Nicht neonartige Schriftzeichen auftauchen (Lichtdesign: Robert Prideaux), die wohl nicht umsonst auch an biblische Motive erinnern, die hier vor allem in der Geschichte Lots und dem Untergang Sodom und Gomorrhas zitiert werden. Die helle Feier des kurzen Augenblicks und der dunkle ewige Mahlstrom des Erinnerns stehen hier geradezu nackt nebeneinander und für die Diskrepanz zwischen dem, was ist und dem, was war, finden beide hochpoetische, vielschichtige Bilder.
Am Ende fliegt der glitzernde Vorhang davon und die Schriftkonstruktion wird klar erkennbar. Denn die Gegenwart ist nackt und auch die Feier nur wohlfeile Fassade. Keine Erlösung, nirgends. Doch die Trümmer, die bleiben.
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Bitte anmelden um Kommentare zu schreiben